Auf der Suche nach dem Weißwurstäquator
Humboldt und Gauß haben einst nah und fern die Welt vermessen. Der eine drang tief in den Regenwald, zum Quellgebiet des Amazonas vor. Der andere zerschnitt das Königreich Hannover in kleinste Quadrate, um es dann genauer denn je wieder zusammenzusetzen.
Über den Weißwurstäquator indes verloren sie nach meinem Wissen kein Wort. Mag sein, dass die beiden Norddeutschen sich einfach nicht einmischen wollten in die Diskussion, die selbst waschechte Baiern entzweien lässt: Wo genau ist er zu finden, der Weißwurstäquator?
Kulturelles Grenzgebiet
Tatsächlich gibt es verschiedene Deutungen darüber, wo der Weißwurstäquator zu ziehen sei. Die einen meinen: An der Donau. Die anderen sagen: Am Main. Für manch einen ist es der 100-Kilometer-Radius um München. Alle Theorien haben ihre Schwächen – grenzen Gebiete aus oder verleiben sie ein. Oder wirken einfach arrogant.
Derweil gibt es eine vierte Theorie: Es sei der 49. Breitengrad. Dieser verläuft etwas nördlich der Donaulinie. Im Bayerischen Wald liegt die Grenzlinie bei Zwiesel, zieht sich dann nach Westen über Regensburg, das mittelfränkische Greding und das schwäbische Dornstadt.
Das Herz manch eines Kulturwissenschaftlers wird vor Freude springen: Ja, dort – am 49. Breitengrad – haben wir ein Grenzgebiet, in dem die Essgewohnheiten verschwimmen. Wo die Wurst, je weiter nach Norden und Westen wir kommen, allmählich nicht mehr gebrüht, sondern gebraten wird. Dort verändert sich die Esskultur. Und mit ihr der Rest, der Altbayern manchmal so anders als das übrige Deutschland scheinen lässt.
Weil’s nicht wurscht ist
Vielleicht auch, um die ewige Diskussion um den einzig richtigen Äquator im Freistaat endlich zu beenden, haben zwei echte Weißwurst-Liebhaber aus Zwiesel am 49. Breitengrad Fakten geschaffen: Nach der Idee von Rosl & Bertl vo Zwiesl grüßt die Gemeinde im Bayerischen Wald seit Herbst 2013 ihre Gäste mit einem ganz besonderen Denkmal. Es preist – den Weißwurstäquator.
Nur die Weißwurst selbst lässt sich hier im Dezember 2013 noch nicht verkosten. Schade, denn nur wenige Schritte entfernt steht verlassen ein Infozentrum des Ortes, das glatt zur Wurstbude umfunktioniert werden könnte: Vor dem Mittagsläuten gäb’s Weißwurst, danach Bratwurst …
Übrigens: Der wahre Weißwurst-Liebhaber macht seine Spezialitäten heutzutage vielleicht eh lieber wieder selbst? – Unter kundiger Anleitung vom Wuidara lernt man ein ganzes Stück weiter südlich, im Tegernseer Land, wie’s geht.
Hinweis: Anfang 2016 hat nun einiges verändert: Nun kann man im ehemaligen Infozentrum am Weißwurstäquator tatsächlich die berühmte Bayerin verkosten. Ebenso wie andere Schmankerl. Weitere Infos dazu auf dem Weißwurst-Blog.