Am Tegelbergsteig
Mit allem hatte ich gerechnet. Nur nicht damit, dass der Einstieg für mich gleich wieder der Ausstieg sein könnte: Gerade bin ich in den Tegelbergsteig gestartet. Bin die etwa 20 Meter Höhe und nahezu senkrechte Leiter hinaufgestiegen. Habe mich umgeklinkt. Und will nun die erste Querung in Angriff nehmen.
Verdammt, das ist glatt poliert hier. Ganz anders, als vier Jahre zuvor, als ich den Klettersteig ein erstes Mal gegangen bin. Damals war er gerade einige Wochen in Benutzung; es war kühl, der Steig an einigen Stellen feucht. Doch überall wunderbar stumpf. Nun ist Hochsommer. Schon frühmorgens schweißtreibende Temperaturen, selbst im nordseitigen Schatten. Ich trete an die Wand. Doch nicht entschlossen genug, so dass ich sofort anfange zu rutschen.
Ich bin demotiviert von meinem Start und druckse einige Minuten herum. Wie ein begossener Pudel stehe ich wieder auf der obersten Leitersprosse. Bin drauf und dran, die Leiter wieder abzusteigen, den Tegelberg-Klettersteig an den Nagel zu hängen; sage schon leise: „Sorry, aber ich glaub ich lass’s heute“. Nur, um mich in der nächsten Sekunde zu konzentrieren. Um zwei, drei Mal an- und weiterzutreten. Tatsächlich ist die Reibung sofort besser. Und zack … habe ich den Einstieg geschafft.
In der nun folgenden, etwa 500 Meter hohen Wand mit zahlreichen Querungen, Platten und Verschneidungen wird mir bewusst, welch großen Unterschied es am Tegelbergsteig macht, ob du etwas Kletter-(Steig-)Erfahrung hast oder nicht. Zuvor, bei meinem ersten Versuch, hatte mich der Steig viel, viel, viel Anstrengung gekostet. Meine fehlende Erfahrung kompensierte ich damals mehr schlecht als recht durch Amkraft. Oder sollte ich sagen: durch rohe Gewalt?!
Danach stand der Entschluss fest: ich wollte klettern lernen. Wollte lernen, was es überhaupt heißt, auf Reibung zu gehen. Wollte auch mit kleinen Tritten und weiten Abständen zurecht kommen. Es scheint geholfen zu haben. Denn einigermaßen langsam, aber sicher, hangle ich mich nun recht problemlos den Klettersteig hinauf. Meine damalige persönliche Schlüsselstelle erkenne ich nicht wieder. Es kommt mir vor, als seien überall zusätzliche Eisenklammern gesetzt worden. Vielleicht sind sie’s ja wirklich? Auch, wenn hier und da dennoch Amkraft gefragt ist – der Großteil des Steigs geht dieses Mal „über die Beine“, so wie’s sein soll … und mit einem Strahlen im Gesicht steige ich 500 Meter weiter oben aus dem Tegelbergsteig.
Tipps:
Ist’s schwierig? – Der Tegelbergsteig ist ein C-Klettersteig, den man nicht unterschätzen sollte. Die Tritte und Eisenklammern sind mitunter weit auseinander – leichter tut sich, wer ein Mindestmaß an Klettererfahrung hat. Trotzdem gehen einige Passagen, vor allem für Kleinere, nicht ohne ordentlich Schmackes. Kletterschwierigkeiten im III. bis IV. Grad.
Ist’s schön? – Wunderschöne Aussicht über den Forggensee. Auch der Klettersteig selbst ist hübsch eingerichtet; es gibt zwei Bankerl und ein Steig-Buch. Außerdem an einer Rampe ein kleines Glöckchen.
Wann geht’s? – Der Tegelbergsteig ist von Mai bis Oktober begehbar. Die nordseitige Lage des Steigs beachten. Am besten sollte es längere Zeit trocken sein, sonst ist mit diversen feuchten und batzigen Stellen zu rechnen.
Wo geht’s los? – An der Talstation der Tegelbergbahn. Zunächst ein Stück auf dem Gelbe-Wand-Steig, von diesem zweigt nach einiger Zeit die Einstiegsleiter ab.
Und runter? – Am elegantesten über den Gelbe-Wand-Steig (versicherter alpiner Steig/Lehrklettersteig). Dieser zweigt auf dem Weg zum Tegelberghaus ab. Alternativ erst noch ein Stück weiter hoch und dann über den Wanderweg an der Skipiste ins Tal. Oder auch über den Tegelberggrat (dann kommt man allerdings an der Marienbrücke/an Schloss Neuschwanstein raus und muss noch ein gutes Stück im Flachen zurücklegen).
Lässt sich was kombinieren? – Ja! Wer Zeit und Lust hat, kann auch noch dem Branderschrofen oberhalb vom Tegelberghaus einen Besuch abstatten.