Kuriose Kraxeleien am höchsten Berg Großbritanniens
Hat die Highland-begeisterte Queen Victoria ihrerzeit eigentlich je auf dem Ben Nevis gestanden? Wurde sie vielleicht sogar in einer Pferdedroschke hier hinauf kutschiert? – Diese Fragen schießen mir durch den Kopf, als wir Richtung Ben-Nevis-Gipfel unterwegs sind. Denn der Weg nach oben ist ganz wortwörtlich eine Wanderautobahn: Ein breit daherkommender Weg. Immer wieder Treppen- oder eben fast: Fahrstraßenartig angelegt.
Im Sommer 1771 war der Botaniker James Robertson als wohl Erster auf dem Gipfel. „The Ben“, wie die Schotten gerne sagen, also „den Berg“ besteigen inzwischen jedes Jahr geschätzt um die 100.000 Menschen. Für viele Briten gehört es quasi zum guten Ton, mal oben gewesen zu sein. Für viele Schottland-Reisende auch.
Ein wenig verwunderlich ist das schon. Denn neben dem – durchaus attraktiven – Superlativ, mit 1.345m der höchste Berg von Großbritannien zu sein, wartet der Ben Nevis noch mit einer eher unattraktiven Tatsache auf: Nebel und Wolken. An rund 300 Tagen pro Jahr, so heißt es, versteckt sich der Gipfel darin.
Also nichts als tausendfache Geschichten vom Herumstochern im Nebel, vom Nichts-Sehen in den Wolken? Weit gefehlt! – Es gibt auch einige durchaus unerwartete bis … kuriose Erzählungen von Ben-Nevis-Besteigungen:
Auf den Ben Nevis …
#1: Jeden Tag
Clement Lindley Wragge hatte es sich zu Zeiten von Queen Victoria zur Aufgabe gemacht, das Wetter am Ben Nevis zu dokumentieren. Aus diesem Grund stieg er von Juni bis Oktober 1881 jeden Tag auf den Ben Nevis. Noch vor 5 Uhr ging’s morgens los, nach elf Stunden war er wieder im Tal. Zwei weitere Sommer machte er das, bevor er nach Australien übersiedelte.
#2: Als Gast des Gipfelhotels
Ab 1884 war es nicht mehr notwendig, jeden Tag aufs Neue auf den Gipfel zu steigen. – Eine Wetterstation war gebaut worden, so dass nun bis 1904 ganzjährige Wettermessungen gemacht werden konnten. Die Gelder für den Bau wurden auch dadurch gesammelt, dass Wanderer einen kleinen Obolus entrichten mussten, wenn sie den inzwischen angelegten Weg auf den Gipfel nehmen wollten. Wenn die Touristen wollten, konnten auch sie über Nacht am Gipfel bleiben. Denn: Ein Hotelier aus Fort William hat 1894 ein kleines Hotel auf dem Ben Nevis errichtet, bekannt als The Observatory Hotel oder The Temperance Hotel. Bis 1916 kamen Bergsteiger dort bei Vollverpflegung unter. Heute stehen noch letzte Mauerreste vom Hotel und der Wetterstation auf dem Gipfelplateau.
#3: Mit einem Klavier
Bei einer Müllsammelaktion am Ben Nevis fanden Freiwillige 2006 kurz unter dem Gipfel Überreste eines Klaviers. Nach einigen Tagen konnte das Mysterium geklärt werden: 35 Jahre vorher hatte ein Schotte das Instrument, das sich als Kirchenorgel entpuppen sollte, hinaufgetragen. Das ganze war damals eine Charity-Aktion, die er damit beendete, oben angekommen noch fix „Scotland the Brave“ zu spielen.
#4: Mit einem Auto
Welch scheinbar absurde Idee: 1911 hatte sich Henry Alexander Jr. aus Edinburgh vorgenommen, auf den Gipfel des Ben Nevis zu gelangen. Mit seinem Auto, einem Ford T. Mit dem 20-PS-starken Gefährt brauchte er fünf Tage, bis er den Gipfel erreichte. Runter ging’s dann in drei Stunden. Wie die Fahrt aussah? – Kannst du selbst schauen, es gibt Filmaufnahmen!
… und, last but not least, #5: Bei Sonnenschein
Wenn Anfang Mai plötzlich alle von einer Hitzewelle in Schottland reden und du zu dieser Zeit auf dem West Highland Way genau auf den Ben Nevis zusteuerst, kommst du ganz zwangsläufig ins Grübeln, ob sich der Aufstieg auf den Berg nicht doch lohnen könnte. So ist’s uns passiert. Fazit: Einen Sonnentag auf dem Ben Nevis zu erwischen macht einen sicher nicht zu einem besseren Menschen. Aber zu einem glücklicheren.
Gut zu wissen
Ausgangspunkt: Der einfachste und meist gewählte Aufstieg erfolgt über über den sogenannten Tourist Path bzw. Pony Track. Der Weg geht am Parkplatz des Glen Nevis Visitor Centre los. Wer in der Jugendherberge ein Stückchen weiter hinten im Tal übernachtet, startet sehr praktisch von dort: Aus dem Bett fallen, dem Youth Hostel Path folgen und nach 200 Höhenmetern auf den normalen Tourist Path stoßen.
Schwierigkeit: Grundsätzlich kann jeder, der fit ist, bei Sommer-Bedingungen über den Normalweg auf den Ben Nevis steigen. Technisch leicht, liegt, wenn der Berg schneefrei ist, die einzige sportliche Herausforderung darin, dass man quasi vom Meeresspiegel-Niveau auf den Gipfel steigt und damit mehr als 1.300 Höhenmeter überwindet. Wem das zu viel erscheint, der darf sich auf etwa der Hälfte des Wegs auf ein alternatives Tourenziel freuen. In einer Senke befindet sich der Lochan Meall an t-Suidhe; auch „Half Way Loch“ genannt. Ideal für ein Picknick am Seeufer.
Dauer: Wer einigermaßen gut zu Fuß ist, wird reine (normale) Gehzeit etwa 5,5 Stunden benötigen, bis er wieder im Tal ist. Trailrunner sind natürlich schneller. Wer langsam ist, muss auch bis zu zehn Stunden rechnen.
Gefahren: Der Weg auf den Ben Nevis ist zwar ummarkiert, aber bei sommerlichen Bedingungen an und für sich nicht zu verfehlen. Probleme können bei – mitunter sehr schnell aufziehendem – Nebel entstehen. Vor allem auf dem weiten Gipfelplateau, wo der Weg durch Steinpyramiden gekennzeichnet ist. Auf der Nordseite bricht der Ben Nevis mehrere hundert Meter steil ab. Bis in den Sommer hinein kann die Kante stark überwechtet sein. Von daher: Abstand halten. Vor allem an Tagen mit starken Windböen.
Ausrüstung: Feste Schuhe sowie Handschuhe, Mütze und regen- bzw. winddichte Sachen sollten immer dabei sein.