Unterwegs auf der Carretera de les Aigües und am Tibidabo
Welch’ unglaubliche Ruhe! – Ich bleibe stehen. Horche. Höre nichts. Außer das Zwitschern eines Vogels. Ich atme tief durch. Schaue den Tibidabo, Barcelonas Hausberg, hinauf.
Klar, nach Barcelona fährt man zunächst einmal nicht, um Ruhe zu finden. Nach Barcelona reist man wohl meist, um eine der fantastischsten und pulsierendsten Städte Europas zu erleben: Um sich in den engen und verwinkelten Gassen des Barri Gòtic durch den ältesten Teil der spanischen Metropole treiben zu lassen.
Um – je nach Tages- oder Nachtzeit – über die Rambla zu flanieren; oder sich über sie schieben zu lassen. Um am Montjuïc, einem der Stadtberge, auf den Spuren von Olympischen Spielen, Weltausstellung und Kunst unterwegs zu sein. Um wenigstens ein, zwei Architektur-Highlights des Modernisme, der katalanischen Spielart des Jugendstils, anzuschauen. Um, bei einem längeren oder erneuten Besuch, einfach in Viertel wie Les Corts oder Gràcia einzutauchen. Um …, um …, um …
Barcelona ist dabei so großartig wie laut. Die Stadt hält den traurigen Rekord, die europaweit höchste Dichte an Autos zu haben. In der Folge gehört die Luft zu den dreckigsten auf dem Kontinent. Gleichzeitig tut die Stadt in den letzten Jahren sichtbar viel, um die Situation zu verbessern: so stehen Leihräder an vielen Fahrradstationen bereit und immer mehr Radwege werden eingerichtet.
Um dem städtischen Trubel ein wenig zu entfliehen, kann man sich in hübsche Innenhöfe und kleine Parks zurückziehen. Und dann gibt’s noch die Serra de Collserola. – Das sind die Hügel, die sich direkt neben der Stadt zu einem Mittelgebirge aufwellen. Als Naherholungsgebiet der Stadt. Als ihre Grüne Lunge.
Einer der beliebtesten Wege im Naherholungsgebiet ist die Carretera de les Aigües, die „Wasserstraße“ von Barcelona. Der Weg wurde ursprünglich im Zusammenhang mit der Trinkwassergewinnung der katalanischen Hauptstadt angelegt. Heutzutage sind auf der Schotterstraße zumeist Radler und Läufer unterwegs. Dazwischen auch ein paar Spaziergänger und Wanderer. Zumeist sind es Einheimische, die auf der neun Kilometer langen und nahezu ebenen Strecke samt Hund und Kind ihre Runden drehen.
Gerade im Winter, wenn es kühler und auch die Luft weniger diesig ist, ist die Carretera de les Aigües ein empfehlenswertes Ziel, um der Stadt für eine Weile zu entkommen. Und dann kann es eben passieren: Irgendwann hört man nicht mal mehr ein Hintergrundrauschen und denkt nur noch: Welch’ unglaubliche Ruhe!
Tipps
Ausgangs- und Endpunkte der 9 km langen Carretera de les Aigües (auch Passeig de les Aigües genannt) sind im Westen der Plaça Mireia (der eigentlich schon zur Nachbargemeinde Esplugues de Llobregat gehört) und im Osten der Parkplatz „Parking Aigües“ etwas oberhalb der Plaça del Doctor Andreu.
Hinkommen: Ohne Auto/als Tourist ist es leicht umständlich, zum Plaça Mireia zu gelangen; es ginge aber allemal mit dem Esplubús EP4. Meine Empfehlung daher: Direkt aus der Stadt losgehen und durch die grüneren Wohngegenden nördlich der Av. Diagonal spazieren. Beispielsweise ab Metrostation Maria Cristina in einer knappen Stunden die Av. de Pedralbes und die Av. de Pearson bergauf. Aus der ersten großen Pearson-Kurve zweigt der Fußweg Camí de Finestrelles ab, nach ca. 150 Metern von dort auf einem Trampelpfad ein paar Minuten steil (!) den Hang hinauf zum westlichsten Aussichtspunkt auf dem Weg, dem Mirador de Finestrelles, der etwa 1 km vom Plaça Mireia entfernt ist. Deutlich einfacher ist es im Osten mit den Öffentlichen: Mit der Metro bis Av. Tibidabo, weiter mit dem Bus 196 zum Plaça de Doctor Andreu. Von dort etwa 10 Minuten die Straße weiter bergauf gehen bis zum Parkplatz „Parking Aigües“.
Bevorzugte Richtung: Für meine Begriffe von West nach Ost. Das hat den Vorteil, dass man die Sonne meist eher im Rücken hat. Außerdem hat man so die spannenderen Ausblicke zum Schluss.
Abbrechen? Verlängern?: Wer nicht die gesamte Strecke laufen möchte, hat an mehreren Stellen die Möglichkeit, über kurze, mitunter steile Wege von der Carretera de les Aigües abzuzweigen; speziell im mittleren Teil, wo der Weg durch eine Wohngegend führt. Wer viel Lust auf Bewegung verspürt und genügend Zeit mitbringt, kann natürlich den 9 km langen Wege auch hin und zurück gehen, in diesem Fall empfiehlt sich, den Ausgangspunkt im Osten zu wählen.
Sonst noch was? Die Carretera de les Aigües führt unter anderem am Tibidabo, dem komplett erschlossenen Hausberg von Barcelona, entlang. Eng mit dem Tibidabo sind vor allem drei Begriffe verbunden:
Die historische Straßenbahn Tramvia Blau, mit der es wirklich hübsch ist, sich mal den Berg hoch oder runter zuckeln zu lassen (als Alternative zum Bus 196. Die Tramvia Blau fährt im Sommer regelmäßig; im Winter nur am Wochenende und an Feiertagen).
Dann wäre da noch das Restaurant Mirablau mit ziemlich perfektem Ausblick über Barcelona. Entweder auf die Terrasse direkt an der Tramvia-Haltestelle setzen. Oder, direkt daneben ins eigentliche Lokal. Bei passendem Wetter, also ganz häufig, sind die großen Panoramascheiben geöffnet.
Last but not least, ganz oben auf dem Gipfel, der aus der Gründerzeit stammende Vergnügungspark Parque d’Atraccions samt entzückend-nostalgischer Fahrgeschäfte; gleich nebenan die Kirche Sagrat Cor. Auf der Aussichtsplattform der Kirche hat man dann auch den überhaupt höchsten Aussichtspunkt in Barcelona erreicht. Hinauf zum Vergnügungsparkt kommt man ohne Auto übrigens mit der aus dem Jahr 1901 stammenden Standseilbahn (Funicular).