An der Isel
Als ob ich in einer Kathedrale wäre, wo ich auf eine besondere Kostbarkeit blicke“, heißt es auf der rostbraunen Aussichtskanzel aus Cortenstahl, die kurz hinter Ströden, im hintersten Virgental, das hier genau genommen Umbaltal heißt, in luftiger Höhe weit über die Isel ragt.
Tatsächlich ist die Isel eine Besonderheit, denn sie gilt neben dem Tagliamento im italienischen Friaul und dem Lech, der in Vorarlberg entspringt, als einer der letzten großen alpinen Wildflüsse Mitteleuropas. Und da die Isel – als einziger der drei – obendrein noch ein Gletscherfluss ist, ist sie besonders kostbar.
Wie außergewöhnlich die Isel dabei auch noch anzuschauen ist, zeigt sich vor allem an ihren Wasserfällen, die man ein Stück flussaufwärts in das Umbaltal hinein erreicht. An Sommernachmittagen, wenn das Schmelzwasser besonders kraftvoll und mächtig über die mehrstufigen Kaskaden stürzt, spielen die Umbalfälle ihre Trümpfe aus.
Dabei ist es gar nicht selbstverständlich, dass sich die aktuell jährlich etwa 50.000 Besucher dieses Naturdenkmal am Rand des Hohe-Tauern-Nationalparks auch weiterhin anschauen können, denn lange sah es an der Isel nach dem Bau von Wasserkraftwerken aus. Erst nach langem Hin und Her wurde die Isel Natura-2000-Gebiet und damit Teil eines europaweit zusammenhängenden ökologischen Schutzgebietsnetzes, das bedeutsame Lebensräume sowie seltener und gefährdeter Tier- und Pflanzenarten erhalten soll. Dass die Isel letztlich unter Schutz gestellt wurde, liegt an der Deutschen Tamariske. Diese streng geschützte Pionierpflanze wächst nur bei intakter Flussdynamik auf Schotterbänken; sie ist von weitläufigen Flussbetten und intakter Geschiebeführung abhängig.
„Die Flüsse sind die Adern der Erde.“
Phillip Deere
Wir sollten wohl einfach öfter mal an unsere Flüsse gehen und schauen, wie es diesen Kostbarkeiten und Lebensadern tatsächlich geht.
Tipps für einen Isel-Besuch
Kleines Schleifen-Wandern an den Umbalfällen: Oberhalb von Ströden führt ein Wasserschaupfad entlang der Isel bis zu den Umbalfällen. Hinter der Islitzer Alm und der Pebellalm schaut man von mehreren Aussichtskanzeln direkt in die tosenden Wassermassen. Eine hübsche Rastmöglichkeit besteht oberhalb der mehrstufigen Kaskaden, am Ende des Wasserschaupfads. Von der Holzbrücke kurz dahinter hat man noch einen guten Blick auf den oberen Teil der Wasserfälle. Zurück über den Forstweg, dabei auch durch eine Felsöffnung durchschlüpfen und kurz auf die Aussichtskanzel zum Großbachfall schauen. Zurück an der Pebellalm rechts halten und statt über den Normalweg ein Stück auf etwa gleicher Höhe durch den Wiesenhang, auf einem kleinen Pfad erreicht man eine Holzbrücke über die Isel und gelangt zurück zum Ausgangspunkt.
Rafting auf der Isel: Die Isel genießt den Ruf, eine der besten mitteleuropäischen Raftingstrecken zu sein. Auf dem Abschnitt zwischen Matrei und Lienz tummeln sich mehrere Anbieter, mit denen man eine Wildwassertour unternehmen kann. Und ganz ehrlich: Raften ist doch viel mehr ist als ein schnöder Adrenalinkick, nämlich mitunter einfach eine wunderbare Möglichkeit, intakte Natur ganz entspannt zu erleben. Zumindest bis zur nächsten großen Wasserwalze – woooaaahhh.
Apropos Wasser, Wasserfälle und Wasserkraft: Dürfen wir intakte Ökosysteme zerstören, um Ökoenergie zu erzeugen?, fragt der Bayerische Rundfunk in diesem Beitrag und schaut auf die Alpenflüsse. Birgit Hermes wiederum zeigt im Film „Wahnsinn Wasserkraft: Flusszerstörung auf dem Balkan“, in welchen Dimensionen Wasserkraft auf dem Balkan geplant und gebaut wird.
Auf der Isel geraftet bin ich während einer Pressereise der Felbertauernstraße AG.