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Bergfeuer

Die Falles d’Isil

Eine Woche zuvor wäre es geradezu anmaßend erschienen, überhaupt einen Gedanken an Mittsommer zu verschwenden: Mitten in den Pyrenäen wärmten wir uns im Refugio Colomina an einer Kanne heißen Tee, während draußen vor der großen Panoramascheibe der Schnee vorbeistob.

Und nun doch: Mittsommer. Mitsamt den als passend erscheinenden Temperaturen.

Schon am Nachmittag waren wir nach Isil gekommen, ein katalanisches Dorf ganz tief im Aneu-Tal, das ein Stück weiter oben an Frankreich grenzt. Heute leben noch etwa 70 Einwohner in dem Pyrenäenort und wahrscheinlich würde kaum jemand den Namen kennen, wenn sich in den Bergen nicht zur Sommersonnenwende ein besonders außergewöhnlicher Brauch gehalten hätte: Mit den sogenannten Falles, speziellen Fackelläufen, wird der Sommer hier erst so richtig eingeläutet.

Dorfkirche von Isil.

Sommersonnenwende …

Mittsommer, die Zeit der Sommersonnenwende, der längste Tag des Jahres – irgendwie schon immer feierten die Menschen in ganz Europa diesen besonderen Moment, zelebrierten das Licht und die Wärme.

Denn bereits in heidnischen Zeiten hofften die Menschen, mit dem Sommersonnwend-Feuer sich und die Tiere vor bösen Geistern und vor Krankheiten zu schützen. Die Flammen galten als heilend, reinigend und fruchtbarkeitsfördernd; nebenbei waren sie ein verbindendes Element, denn am Feuer rückte die Gemeinschaft enger zusammen. Derlei Glauben und Tun waren dem frühen Christentum ein Dorn im Auge, weshalb man die heidnischen Traditionen schnell verbot. Als die Riten dennoch weitergeführt wurden, deutete man sie kurzerhand um, nennt sie in Erinnerung an den Heiligen Johannes seither vielerorts Johannisfeuer und zelebriert sie in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni.

… Pyrenäen-Stil: Falles

Für die Katalanen ist diese Nacht einmal mehr bedeutsam, denn der Heilige Johannes, Sant Joan, ist gleichzeitig der Schutzpatron von Katalonien.

Nirgends können gewisse religiöse Feste wohl ein lebhafteres und allgemeineres Interesse erregen, als in den Pyrenäen.“

Wilhelm von Rhetz, „Reise eines Norddeutschen durch die Hochpyrenäen in den Jahren 1841 und 1842“

Über die Ursprünge der Bergfeuer, wie sie zu Sant Joan in den Pyrenäen begangen werden, ist kaum etwas bekannt, schriftlich wurde extrem wenig überliefert, aber die Einheimischen erzählen sich, dass es die Falles schon lange, schon immer gibt. Auch wenn sie zum Schluss schon fast in Vergessenheit geraten wären, denn immer wieder gab es Zeiten, in denen die katalanische Sprache und Kultur verboten waren. Auch der Wegzug vieler Menschen aus den Dörfern trug zum Beinahe-Ende der Tradition bei.

Die Vorbereitungen für die Falles starten im Mai, wenn die Fallaires, die Fackelträger, in den Bergwald gehen, für ihr Vorhaben passende Kiefern auswählen, fällen und schälen. Aus den Baumstämmen sägen die Fallaires von Isil direkt am Berg knapp eineinhalb Meter lange Stücke. Das eine Ende, das später brennen soll, spreizen sie mit Keilen in vier Teile auf. Die so präparierten Fackeln, die fast einen Zentner wiegen können, lassen sie 50 Tage in der Sonne trocknen. Gleichzeitig stellen sie im Dorf einen großen, kräftigen Stamm, die Falla Mayor, auf dem Dorfplatz auf.

Feststimmung in Isil

Am Nachmittag des 23. Juni zeigt sich dann, dass die Tradition der Falles heute weiter denn je davon entfernt ist, aufgegeben zu werden. Und spätestens, seit die UNESCO 2015 die Falles von Isil zusammen mit den Bergfeuern von 62 weiteren Gemeinden in den Pyrenäen von Spanien, Frankreich und Andorra in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen hat, sind sie auch weit über die Bergregion hinaus bekannt.

In Isil erleben wir ein entspanntes Treiben, wie es in Anbetracht des regen Zulaufes kaum denkbar ist: viele sind mit Picknick-Utensilien ausgestattet. Die Kirche ist zum Kino umfunktioniert, auf einer kleinen Leinwand sind historische Aufnahmen früherer Festjahre zu sehen. Auch die Casa de l’Ós ist geöffnet, hier lässt sich etwas Zeit in einer kleinen, vor allem für Kinder konzipierte Bärenausstellung sowie in einer ebenfalls kleinen Ausstellung zu den Falles d’Isil verbringen. Währenddessen machen sich die Faillares ausgestattet mit festen Wanderstiefeln auf den Weg.

Fallaires in Isil bei den traditionellen Bergfeuern in den Pyrenäen.
Für die Fallaires, die Fackelträger, geht’s gleich los, auf den Berg,

Auf einer alten Steinmauer am Dorfrand finden wir einen gemütlichen Platz. Als sich die Dunkelheit über das Tal gelegt hat, flammt weit oben am Berg ein Feuer auf. Kurz darauf setzen sich die ersten Lichter in Bewegung: Die Faillares, Männer wie Frauen, schultern ihre riesigen lodernden Holzfackeln und kommen über unwegsames, steiles Gelände hinunter nach Isil.

Etwa eine Stunde benötigen sie ins Dorf, wo sie einen Schlenker zur romanischen Kapelle Sant Joan d’Isil machen und anschließend eine Runde durch die Dorfgassen laufen, bevor sie schlussendlich ihre Schultern erleichtern und die Holzstämme unter allgemeinem Jubel in das große Feuer auf dem Dorfplatz werfen. – Der Sommer startet damit durch, die Nacht wird kurz …

Falles d'Isil - Bergfeuer in den Pyrenäen
Falles d’Isil: auf dem Dorfplatz, neben der Kirche steht die Falla Mayor.

Transparenzhinweis: Die Falles d’Isil habe ich auf Einladung der Tourismusorganisation Ara Lleida besucht.

(Headerfoto: H. Ormo)

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