Sechs Bergbuchtipps
Zum Herbst hin, wenn die Tage wieder deutlich kürzer werden, dann bin ich um den einen oder anderen Sonntag daheim nicht verlegen. Draußen kann das Wetter so schmuddelig und ruppig sein, wie es will. Ich genieße den Tag. – Greife mir schon vor dem Frühstück eines der Bücher aus dem Regal. Lande irgendwann mit einer Tasse Tee auf dem Sofa. Lese. Schlafe ein. Wache auf. Mache mir noch einen Tee. Lese weiter …
Hier nun sechs Tipps für neuere und ältere Bücher mit „irgendwas am Berg“:
Aletsch
Superlative sind ja so eine Sache. Tollstes Dies. Phantastischstes Jenes. Trotzdem: Der größte Gletscher der Alpen zieht – natürlich – früher oder später die Aufmerksamkeit von jedem auf sich, der gerne in unserem zentraleuropäischen Hochgebirge unterwegs ist. Sicher trägt das ganz besondere Panorama dazu bei, das sich rund um den Aletsch öffnet. Mit all den richtig und ganz großen Bergen, die die Schweizer Alpen so zu bieten haben.
Noch dazu: Auch Wander-Novizen bietet der Aletschgletscher besonders eindrückliche Einblicke. Bei einer einfachen Wanderung auf der Bettmeralp zum Beispiel. Denn überwältigend sind die Eismassen, die sich hier – elegant in die Kurve gelegt – langsam die Berghänge und Täler hinunterwälzen.
Das optisch und inhaltlich sehr empfehlenswerte Buch aus dem AS Verlag nun ist vielleicht so etwas wie ein Vermächtnis des Aletsch. Aufgeteilt in Kapitel zur Natur und den Menschen, zur Entdeckung und Erforschung, oder zum Tourismus. Und klar: Zur großen Frage, ob der Aletsch und die anderen Gletscher in Europa wirklich so „ewig“ sind. Treffen die Befürchtungen der Wissenschaftler ein, dann werden von der „Arktis der Alpen“ in einem Jahrhundert wohl nur noch einzelne Eisfetzen übrig bleiben. Superlative sind eben leider so eine Sache …
Tipp: Vor oder nach dem Lesen des Buchs … unbedingt hinfahren. Den Aletsch muss man gesehen haben!
Traumhäuser in den Alpen
Ein Haus. In den Bergen. – Für mich müsste da allem voran eines passen: Der Ausblick. Kein Wunder, dass mir sofort zwei Traumhäuser in den Alpen beim Durchblättern des gleichnamigen Buchs aufgefallen sind. Da wäre das Projekt Alpage, im Val d’Hérens im Wallis. Mitten auf einem Maisäss, umgeben von hohen Bergen, haben die Besitzer dort aus einem Steinstall mit Holzscheune ein, wie es scheint, tolles Wochenend-Refugium gezaubert. Außen wettergegerbt und unauffällig – wären da nicht die großzügigen Fenster. Innen dann geradlinig. Mit viel Stein und Lärchenholz. Und dann erst dieser Blick, auf lauter 4.000er! Da ist’s sicher ganz egal, ob’s regnet oder schneit.
Nun sind die meisten der 26 vorgestellten Traumhäuser zwar rein privat genutzte Häuser. Aber hier und da gibt es Ausnahmen: Die drei Leishäuser in Vals in Graubünden. Peter Zumthor hat sie entworfen – eines für die Familie, zwei für Gäste. Eine Auszeit dort hört sich verlockend an: Leis liegt auf knapp 1.600 Metern, 30 Menschen leben im Ort. Ringsum Natur, die durch die großen Fenster direkt in die Räume zu treten scheint.
Überhaupt Glas – viele der beschriebenen und reichlich bebilderten Häuser von der Schweiz bis nach Slowenien, von Deutschland bis Italien nutzen die Möglichkeiten moderner Verarbeitung und heben die Trennung zwischen dem Innen und dem Außen mühelos auf.
Tipp: Das Buch ruft geradezu danach, es im winterlichen Sonnenschein hinter einer besonders großen Fensterscheibe durchzublättern. Beispielsweise in einem lichtdurchfluteten Café (oder in der Lounge vom Museum Brandhorst).
Trockenmauern
Wo wir schon beim Bauen sind. – Hier ein zugegebenermaßen sehr außergewöhnlicher Buchtipp, es handelt sich als solches eher um ein Fachbuch (auch für interessierte Laien):
In der Nähe der Kasseler Hütte in den Zillertaler Alpen ist mir vor einigen Jahren zum ersten Mal so richtig bewusst eine Trockenmauer aufgefallen. Also derart, dass ich sie nicht nur angesehen habe. Sondern mich gefragt habe … von wie weit man wohl die Steine zusammengetragen hat. Welchen Zweck sie erfüllt hat. Wie lange sie schon so dasteht. Jedenfalls war sie gezeichnet von vielen, vielen Jahren, die sie bei gleißendem Sonnenschein und vor allem in rauen Wintern da oben am Siebenschneidenweg stand. Etwas windschief. Aber immerhin: Sie stand. Irgendwie trutzig. Und das ganz ohne Mörtel. Einfach nur geschickt aufgeschichtet.
Tatsächlich findet man besonders in extensiven, strukturreichen Kulturlandschaften – nicht nur in den Alpen – immer wieder Trockenmauern. Gerade in den letzten Jahren sind in eine Reihe von Gemeinden die Trockenmauern wieder gerichtet oder vollständig neu aufgebaut worden, zum Beispiel auch im Vorsäss Schönenbach im Bregenzerwald. Vom Wie und Warum der Trockenmauern berichtet das Buch „Trockenmauern“, garniert mit dem einen oder anderen schönen Bild.
Tipp: Wenn du auch praktisch lernen möchtest, wie man eine Trockenmauer baut, dann schau mal bei der Stiftung Umwelteinsatz Schweiz vorbei. Dort gibt es immer wieder einwöchige Projekte in verschiedenen Schweizer Regionen, bei denen du nach einer kurzen Einweisung selbst mit Hand anlegen kannst.
Alpenüberquerung Berchtesgaden – Lienz
Ich für meinen Teil liebäugle ja durchaus damit, bald mal eine weitere Alpenüberquerung zu machen. Ganz ehrlich? – Am liebsten würde ich mal die rote Via Alpina gehen, die sich von Triest nach Monaco entlang des gesamten Alpenhauptkamms schlängelt. Einziges Problem: Man braucht wohl fünf Monate oder so dazu.
Ein möglicher, realistischerer Kandidat, auf den ich aufmerksam wurde, ist die Alpenüberquerung von Berchtesgaden nach Lienz. Die dauert so etwa neun Tage und es dürfte deutlich ruhiger sein als auf dem Klassiker von Oberstdorf nach Meran.
Jedenfalls habe ich ausgiebig in dem kleinen Rother Wanderführer geblättert: Die Route führt von den Berchtesgadener Alpen (davon kann man ja wohl nie genug bekommen) über die Hohe Tauern (majestätisch!) zur unbekannteren Schober-Gruppe (auch schon eine Weile auf dem Schirm).
Der einzige, sofort auffällige Schönheitsfehler der Route ist zwischendurch die Talstrecke von Bruck nach Ferleiten, die mit dem Bus empfohlen wird. Ob man als Purist dort wirklich zu Fuß geht, bleibt abzuwarten. Abgesehen davon bietet die ausgetüftelte Tour immer wieder Varianten und Gipfeloptionen. Die Grundetappen sind zumeist von moderater Länge, was genügend Spielraum für eine individuelle Tourenplanung zuzulassen scheint.
Tipp: Wenn du zum ersten Mal eine Alpenüberquerung machst, helfen dir vielleicht auch diese acht Ratschläge.
Das größere Wunder
Jonas weiß, dass er kein Bergsteiger ist. Er ist ein Tourist. Der zahlt. Um auf den Mount Everest zu kommen. Der Fixseile nutzt, um hohe Wände emporzuklettern; von den Sherpas installierte Leitern, um über tiefe Gletscherspalten zu gelangen. Und vor allem Sauerstoff. Er bildet sich nicht ein, zur Weltelite der Höhenbergsteiger zu gehören. Und doch hat er diese Idee, auf dem höchsten Gipfel der Welt stehen zu wollen. Aber wirklich um jedem Preis?
Während er am Berg mit sich kämpft, stellt er fest, wie klein der Mensch ist. Denn was sind schon die paar Atemzüge von läppischen 80 Menschenjahren gegen die Ewigkeit der Steine und den Weg der Sonnenstrahlen.
Einzig die Liebe macht das Menschenleben bedeutsam. Um die Suche nach ihr, der Liebe als solches und dieser einen großen der möglichen, geht es abseits des Bergerlebnisses über große Strecken des Buches. Jonas Lebensweg ist dabei so unglaublich wie fantastisch, fernab jeder Oberflächlichkeit.
Tipp: Zwischendurch mal hat der Roman eine gewisse Länge. Dann sollte man ihn am besten zur Seite legen. Und irgendwann später wieder, vielleicht an einem verregneten Sonntagnachmittag, mit Jonas aus dem Basecamp losziehen.
Die Wand
Zwei Jahre aus dem Leben einer Frau. In einer Jagdhütte. In den Bergen. Eingeschlossen von einer unsichtbaren Wand. Dahinter alles in Totenstarre. Auf dieser Seite nur sie. Ihr Hund. Ein paar andere Tiere.
Lange Zeit galt die Buchvorlage von Marlen Haushofer als unverfilmbar. Bis 2012. Als Martina Gedeck in einer bemerkenswerten Solo-Rolle brillierte.
Buch und Film sind langsam. Sehr langsam. Das muss man mögen. Ich habe den Film gesehen, bevor ich zum Buch griff. Das, fand ich, machte es einfacher, dieser „Anti-Geschwindigkeit“ des Buches zu folgen. Und es hat den schönen Effekt, dass man beim Lesen ständig die Stimme der wunderbaren Martina Gedeck im Ohr hat.
Tipp: Am besten, wenn es draußen auf den Winter zugeht oder sogar schon leise schneit, zum Buch oder Film greifen. – Die magische Stimmung draussen wird durch die Geschichte vervielfacht. Und im nächsten Sommer vielleicht mal (wieder) ins Salzkammergut fahren, wo der Film gedreht wurde.
Und hier der Die-Wand-Trailer, falls du auch zuerst den Film sehen möchtest:
Über die Bücher:
- „Aletsch. Der größte Gletscher der Alpen“ von Marco Volken (AS Verlag). Umfang 208 Seiten, gebunden, 62,90 Euro. ISBN: 978-3-906055-45-9
- „Traumhäuser in den Alpen“ von Alexander Hosch (Callwey Verlag). Umfang 176 Seiten, gebunden, 59,95 Euro. ISBN: 978-3-7667-2163-1
- „Trockenmauern. Grundlagen, Bauanleitung, Bedeutung“ von der Stiftung Umwelt-Einsatz Schweiz herausgegeben (Haupt Verlag). Umfang 470 Seiten, gebunden, 110,00 Euro. ISBN 978-3258-0770-55
- „Alpenüberquerung Berchtesgaden – Lienz“ von Andrea und Andreas Strauß (Bergverlag Rother). Umfang 136 Seiten, Broschur, 14,90 Euro. ISBN: 978-3-7633-4495-6
- „Das größere Wunder“ von Thomas Glavinic (Hanser Verlag). Umfang 528 Seiten, gebunden, 22,90 Euro. ISBN: 978-3446-2433-23
- „Die Wand“ von Marlen Haushofer (List). Umfang: 288 Seiten, Taschenbuch, 8,95 Euro. ISBN: 978-3548-6057-15
Ein Teil der Bücher wurde mir von den Verlagen als Rezensionsexemplare zur Verfügung gestellt: Vom AS Verlag, vom Callwey Verlag, vom Haupt Verlag sowie vom Bergverlag Rother.
Update 3. Februar 2017: Aktuell macht ja die Nachricht die Runde, wonach sich die Folgen der Schmelze des Aletschgletscher für Wissenschaftler viel extremer darstellen, als bisher angenommen. – Ich nehme das als Anlass, ein funkelnagelneues Exemplar des Aletsch-Buchs zu verlosen. – Dazu einfach bis spätestens Sonntag, 19. Februar 2017, einen kurzen Kommentar hier unter dem Beitrag hinterlassen, dass dein Name mit in die Lostrommel soll. – Viel Glück!