Zwischen Gletscher und Busch
Man könnte sie die kleine Schwester der Pitztaler Runde nennen: Die Pitztaltour. Angelegt auf vier Tage, erhält man hier einen recht guten Eindruck der Berge, die das Pitztal umarmen.
Wer ausdauernd ist und einen etwas längeren Berg-Tag nicht scheut, kann die Pitztaltour auch innerhalb von drei Tagen gut bewältigen. Inklusive An- und Abreise.
Gemütliches Einlaufen
Wir stellen unser Auto in Mittelberg, am Ende des Pitztals, ab. Von hier geht die Gletscherbahn ab. Sofern die Bahn fährt, kann man sich hinauffahren lassen und vom Hinteren Brunnenkogel eine alpinere Variante zum Taschachhaus wählen. Für uns fällt diese Option aus. Revisionsarbeiten.
Also geht es sehr gemütlich durch das Taschachtal hinauf. Breite Fahrwege bis zur Taschachalm. Danach auf einen erst in den vorhergegangenen Wochen eilig angelegten Pfad. Kurz vor Saisonbeginn (2012) hatte es einen riesigen Felssturz gegeben, der sich bis auf den ursprünglichen Weg ergossen hatte. „Riesig“ heißt: 1,5 Millionen Kubikmeter Fels haben sich aus dem Berg gelöst. Darunter Gesteinsbrocken so groß wie ein Einfamilienhaus.
Geologen kennen den Grund: Der Permafrostboden löst sich auf. Zusammen mit der intensiven Schneeschmelze war dies zu viel für den Berg. Auch, als wir in sicherer Entfernung auf dem neuen Weg Höhenmeter gewinnen, hören und sehen wir zwei ausgiebige Steinschläge.
Es braucht kein Alpen-Orakel: Dass wir von außergewöhnlichen Felsstürzen in den nächsten Jahren immer häufiger hören werden, zeichnet sich ab. Im Tannheimer Tal zum Beispiel sorgen seit Ende 2012 mehrere Felsstürze am Vilsalpsee für einiges Kopfzerbrechen.
Nach knapp drei Stunden erreichen wir das Taschachhaus. Es ist groß und auffällig gut in Schuss. Hier ist man auf durchaus viele Gäste eingestellt. Schließlich ist es ein Ausbildungsstützpunkt des Deutschen Alpenvereins. Mit Seminarräumen, Kletterhalle und allem Pipapo. Mehr ein sehr gut funktionierender Berggasthof denn eine einfache Berghütte.
Nach Kaffee und Kuchen und vor dem Abendessen ist noch genügend Zeit, um Richtung Gletscher zu laufen.
Große Panorama-Schau
Loslaufen. Stehenbleiben. Schauen. Weiterlaufen. Anhalten … Am Fuldaer Höhenweg, der uns in gut drei Stunden zum Riffelsee bringt, stehen einfach zu viele hübsche Alpenblumen: Kohlröschen, Türkenbundlilie, Glockenblümchen & Co. Und die Berge selbst wollen wir ja schließlich auch noch bestaunen.
Auch heute gibt es eine kleine Umleitung unseres Weges. Denn nun kommen wir in die Nähe der Abbruchkante des Felssturzes. Schwieriger wird der Weg jedoch dadurch nicht. Mit den Schwierigkeits-Bewertungen ist es auf den zweiten, genaueren Blick nicht immer so einfach. Vor allem, wenn an ein und derselben Stelle erfahrenen und unerfahrenen Naturgenießern gleichermaßen bei der Wegfindung geholfen werden muss. Das beweist sich auch im Pitztal: Eine Reihe von Wegen sind dort am einen Ende rot, am anderen Ende schwarz markiert. Fehleinschätzungen kommen da mitunter vor, wie wir später am Nachmittag miterleben werden.
Doch erst einmal eine lange Pause am Riffelsee. Irgendwann dann aber nicht mehr langes Federlesen, denn wir wollen noch weiter über den Cottbuser Höhenweg zur Kaunergrathütte. ‚Cottbuser Höhenweg‘ klingt mindestens ebenso lieblich wie der Fuldaer Namensvetter. Doch sein Charakter ist einen Ticken anders: Er ist insgesamt etwas anstrengender zu laufen und wartet mit einer teils versicherten Weganlage auf. Die Schlüsselstelle ist am Steinkogel eine Schluchtquerung: Zunächst mit Eisenstiften und Stahlseil gesichert einige steile Meter nach unten. Ein Teil der Versicherungen ist recht abgenudelt.* Auf der anderen Seite geht es über plattigen Fels hinauf. Einige Trittstufen, Eisenbügel und Stahlseile helfen auch hier. Von der anderen Seite kommend fände ich diese Passage sicher unangenehmer zu gehen; speziell bei Nässe.
Nach der gemeisterten Schluchtquerung zieht sich der Weg recht lang hin. Der „Vorspann“ einer Bergrettung trägt an diesem Juli-Nachmittag auch seinen Teil dazu bei.
Am frühen Abend kommen wir an der Kaunergrathütte an. Sie ist sehr urig. Rustikal. Heimelig. Das komplette Gegenteil vom Taschachhaus. Natürlich gibt’s immer auch bei solchen Hütten immer auch Schattenseiten. Hier ist es namentlich die Bio-Toilette, deren zentrale Lage zwar kurze Wege bedeutet. Aber eben auch das eine oder andere Düftchen. (Allerdings soll dieses Problem bis 2015 aus der Welt geschafft werden. Neben den umfangreichen Sanierungen der Sanitäranlagen wird auch die Photovoltaikanlage erweitert und ein Schulungsraum für Kurse ausgebaut.)
Kleiner 3.000er
Nach dem Frühstück geht es auf den Plangeroßkopf. Dank seiner 3.053m haben wir nun auf unserer Tour auch einen kleinen 3.000er dabei. Er ist einfach zu erwandern. Von der Hütte sind’s weniger als 300hm. Im Abstieg geht es durch einfaches Blockgelände noch vorbei an einem kleinen See, der unter der Verpeilspitze liegt. Im Bogen zurück Richtung Hauptweg. Dabei haben wir auch einen guten Blick in den Abstieg vom Aperen Madatschjoch. Dieses wird bei der „Kaunergrat-Variante“ der Alpenüberquerung auf dem E5 genutzt. Irgendwann werde ich diesen Teil auch noch nachholen …
Heute steht derweil nur der Abstieg ins Pitztal an. Als kleines Extra: Von der Hütte zunächst leicht hinauf auf das Steinbockjoch, das mit einer passenden Steinbock-Joch-Markierung gekennzeichnet ist. Später hinab Richtung Plangeroß. Während oben an der Hütte ein eisiger Wind blies, wird auf den letzten Metern ins Tal das Grün immer höher. Und dichter. Verschluckt uns geradezu. Als wolle es uns vergessen machen, dass wir gerade noch auf hochalpinen Höhenwegen unterwegs waren.
Tipps:
Im Pitztal fährt unter der Woche bis in den Abend hinein etwa stündlich der Postbus. Die Fahrt von Plangeross nach Mittelberg (zurück zum Auto) dauert keine zehn Minuten.
An der Kaunergrathütte zum Plangeroßkopf laufen. So leicht zu erreichen und vor allem: so hüttennah ist selten ein 3.000er. Inklusive Abstecher zu dem dahinter gelegenen See dauert die Runde etwa zwei Stunden.
Mehr als nur drei oder vier Tage? – Auf der deutlich längeren Pitztaler Runde kannst Du innerhalb von neun Tagen fast das ganze Pitztal umrunden. Der anspruchsvollste Tag ist dabei der Übergang von der Rüsselsheimer zur Braunschweiger Hütte. Je nach Wetterlage wirst Du auf etwa halber Strecke im Rheinland-Pfalz-Biwak nächtigen.
Eine kleine Bildergalerie der Pitztaltour findest Du hier.
* Ergänzung: Wir haben Mitte Juli 2012 die Tour gemacht, damals waren die Sicherungen auf dem Cottbuser Höhenweg sehr alt. Parallel ist im Internet zu lesen, dass im gleichen Jahr diese Sicherung erneuert wurde. Für wen das entscheidend ist – eventuell noch mal beim örtlichen Tourismusamt nachfragen und prüfen.