Kunstprojekt „Urbane Transhumanz“ im Münchner Olympiapark
Kunst ent-elitarisieren und in den Alltag der Menschen integrieren.“ – Klingt gut. Und funktioniert: Die Spaziergänger bleiben stehen, lesen, schauen, tauschen sich aus, lachen und fotografieren. Kinder bespielen, Hunde behüten die Objekte.
So erlebt beim Kunstprojekt „Urbane Transhumanz“ von Walter Kuhn, das derzeit im Münchner Olympiapark anzuschauen ist: Am Olympiaberg steht noch mindestens bis zum 12. April 2015 eine rund 60 Tiere umfassende Schafherde. Gefertigt aus etwa ein Zentimeter dicken Pressspanplatten. Weiß, rot und schwarz lackiert.
Die Herde soll an die stetigen „Wanderbewegungen“ des modernen Menschen erinnern. Nicht an die, welche mehr oder minder freiwillig oder maximal aus wirtschaftlichen Erwägungen stattfinden. Sondern vor allem an die, die als Flüchtlingsströme auf Naturkatastrophen, Krieg oder Terror folgen.
Als Kunstprojekt soll es nicht allzu verkopft sein, statt dessen auch individuelle Assoziationen fördern. Walter Kuhn nennt sein Projekt „Urbane Transhumanz“ und spielt auf die Wanderweidewirtschaft an, bei der die Hirten mit ihren Tieren im jahreszeitlichen Wechsel zwischen den Weidegebieten unterschiedlicher Höhenstufen umherziehen.
Vorwiegend im Mittelmeerraum anzutreffen, ist im deutschsprachigen Raum die wohl bekannteste Transhumanz der Schaftrieb vom Südtiroler Schnalstal über den Alpenhauptkamm auf die Weiden im Tiroler Ötztal. 2011 wurden die Ötztaler Schaftriebe sogar in das Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes Österreichs aufgenommen.
Forscher gehen davon aus, dass seit mindestens 6.000 Jahren Schafe über die teils vergletscherten Jöcher getrieben werden. Und auch Ötzi, der am Similaun starb, trug Kleidung aus Schafwolle.
Überhaupt Schaf. Schafherde. Schäfer. Hirtenhund. – Wann haben wir sie zum letzten Mal zusammen gesehen? Ich erinnere mich an Szenen aus der Kindheit, als die Schafe regelmäßig das Dorf querten … Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre war Schluss damit.
Inzwischen sehe ich Schafe am ehesten in den Bergen. Oft ein paar Dutzend Tiere, unterwegs auf ausgedehnten alpinen Hängen. Aber ein Schäfer? – Ausnahmen, noch dazu im urbanen Raum, sind zu suchen wie die Nadel im Heuhaufen. In München wird man im nördlichen Englischen Garten fündig: Im Sommerhalbjahr ist Schäfer Johannes Rosenhuber mit seinen Tieren auf den Parkwiesen unterwegs.
Egal, ob Kunst-Herde im Olympiapark oder Natur-Herde im Englischen Garten: Einfach mal vorbeischauen!
Gut zu wissen:
Mehr Informationen zum Kunstprojekt, das auch schon in anderen Städten zu sehen war, unter www.urbane-transhumanz.com.
Wer sie gerne daheim hätte, ganz gleich ob in- oder outdoor: Die hölzernen Schafe (und auch Schäfer samt Hund) können gekauft werden. Der Erlös kommt der Flüchtlings-Hilfe der Kolibri-Stiftung zugute.
Mindestens einen weiteren Münchner Standort für das Kunstprojekt gibt es bereits: Im Oktober 2015 soll die Schafherde an der Mohr-Villa in München-Freimann zu sehen sein.