Eine Winterwanderung zwischen Dreisessel und Plöckenstein
Ein Königreich für einen Blick! – Es dauerte eine ganze Weile, bis ich verstand, was an diesem Wintertag hier oben am Grenzkamm des Bayerischen Walds anders ist. Bis mir klar ist, dass wir bei früheren Besuchen am Dreisessel immer schlechtes Wetter hatten. Wobei Schlechtwetter immer eine Frage der Definition ist. Also der Sichtweise.
Sicht hatten wir jedenfalls hier oben wohl noch nie so wirklich. Anders ist unsere spontane Begeisterung für den weiten Blick kaum zu erklären. Ein Blick, der über die verschneiten Totholzkuppen und bis hinunter in die Alpen reicht.
2007 hatte erst Kyrill hier oben gewütet, dann kamen die Borkenkäfer. Inzwischen sind die Hänge nicht mehr ganz so kahl wie noch vor einigen Jahren. Durch die nachwachsenden Fichten stapfen wir schon geraume Zeit Mutterseelenallein über den Pfad, der sich etwas oberhalb des Dreisesselparkplatzes zum Steinernen Meer schlängelt.
Das ist auch so ein Phänomen: Selbst an den überfülltesten Orten finden sich immer wieder ganz schnell Stellen, die plötzlich weit weg vom Trubel scheinen. Und natürlich ist es voll am Dreisessel, wenn Winter und Urlaubszeit ist, gleichzeitig aber nur wenige Gipfel weiß aus den grün-braun gewellten Tallagen herausspitzen.
Es sind grad mal zwei Kilometer bis zum Steinernen Meer. Doch wir bleiben immer wieder stehen, schauen und fotografieren. Entsprechend lang brauchen wir, bis wir zu den Granitblöcken kommen, die wie von einer mächtigen Hand über die Bergflanke gestreut wirken. Wir balancieren auf dem ausgetretenen und recht vereisten Pfad über die Steine hinweg, gelangen kurz danach bald zu einer Stelle, an der ein Weg aus dem Tal einmündet und gehen noch ein paar Minuten bergan bis zum Dreiländereck.
Bayern, Böhmen und Oberösterreich stoßen hier aneinander, eine Granitsäule markiert die Stelle. Und plötzlich finden wir uns mitten in einer Völkerwanderung wieder. Ein Kommen und Gehen in alle Richtungen. Die meisten zu Fuß, einige mit Grödeln oder Schneeschuhen. Und Vereinzelte schieben sich mit Langlauf- oder auch Tourenski den Grenzkamm entlang.
Vom Dreiländereck bis zum Plöckenstein ist es nochmal eine halbe Stunde. Nach einer Pause neben dem dortigen Gipfelkreuz – aus dem Rucksack fingere ich die Thermoskanne mit heißem Tee und eine Packung mit ein paar Trockenfrüchte – geht es auf dem direkten Kammweg retour zum Dreisessel.
Wir kosten das Winterlicht aus. Gehen am Dreisesselhaus vorbei zum Hochstein, dessen kissenartig verwitterte Granitfelsen die untergehende Sonne allmählich in ein warmes Rot taucht. So kurz Wintertage auch sein mögen, so intensiv kommen sie mitunter daher.
Gut zu wissen:
Der Rundweg Dreisesselparkplatz – Steinernes Meer – Plöckenstein – Kammweg – Dreisesselhaus – Hochstein und zurück zum Parkplatz addiert sich zu zwölf Kilometern auf. Während der Kammweg an entsprechenden Tagen zu einer Wanderautobahn mutiert, geht es auf dem Weg zum Steinernen Meer ruhiger zu; um heil über das dortige Blockwerk zu gelangen, sollte aber mindestens das Schuhwerk passen. Außerdem sind je nach Witterung Stöcke und/oder Grödel bzw. Schneeschuhe von Vorteil.
Das Dreisesselhaus (Berggasthof Dreisessel) hat im Winter täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet.
In den Hochwaldlagen rund um den Dreisessel lebt das vom Aussterben bedrohte Auerhuhn. Um die Tiere nicht unnötig zu stören, unbedingt an das strikte Weggebot halten.
Karte: Naturpark Bayerischer Wald. Südlicher Teil. UK 50-30 vom Bayerischen Landesvermessungsamt. 1:50.000.
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