Eine Foto-Woche an der Kunstakademie Bad Reichenhall

Wir stehen im Sumpf der Marzoller Au. An diesem feuchtkalten Herbstmorgen sollen wir in der Auenlandschaft das tun, was mir am schwersten fällt beim Fotografieren: Spannende Details suchen, einen einigermaßen passenden Ausschnitt wählen. Nah ran ans Objekt gehen, einen interessanten Winkel finden. Ich bleibe vor einem vermodernden Baumstumpf stehen. Sehe mir einige Zeit das nasse, vermooste Holz an, das auf mich fast versteinert wirkt. Drücke irgendwann den Auslöser.

Zwei Tage zuvor:

„Macht auf dem Weg doch gleich mal ein paar Fotos“, lautete gerade die erste Aufgabe von Kursleiter Max. Gemeinsam mit ihm, seiner Co-Kursleiterin Uli und sieben weiteren Teilnehmern stehe ich in einem der Innenhöfe der Alten Saline in Bad Reichenhall.

Der rote Backsteinbau mit seinen hellbeige abgesetzten Fensterrahmen und Gesimsen strahlt uns entgegen. Und das, obwohl uns Bad Reichenhall an diesem Morgen unter eher miesen Bedingungen empfangen hat: Aus dem wolkenverhangenen Himmel prasselt der Regen, mal weniger, mal mehr. Es ist einer dieser Vormittage, an denen man am liebsten gar nicht und wenn, dann nur so lang wie nötig durch die Stadt huscht. Denn der nächste kräftige Schauer ist schon ums Eck. Selbstredend: Die Kamera lässt man an so einem Tag auch eher in der Tasche.

Kunstakademie Bad Reichenhall

Aber klar, Aufgabe ist Aufgabe. Schließlich wollten wir das so, sind extra dafür nach Bad Reichenhall gekommen: Von den beiden Kursleitern möchten wir uns abschauen, wie wir bessere Fotos einfangen und wie wir sie optimaler verarbeiten können.

Für uns heißt es also nun fünf Tage lang „Fotografie und Lightroom“. – Das ist einer von gut 130 Akademiekursen, die die Kunstakademie Bad Reichenhall jährlich organisiert. Die Kunstakademie wurde 1996 als kommunale Einrichtung gegründet und versteht sich als Ort, an dem Kunstbegeisterte ihre Kreativität entfalten und ihren künstlerischen Neigungen folgen können. Da gibt es zum einen Studiengänge, Meister- und Akademiekurse zur Malerei. Zum anderen immer mehr auch Angebote wie zu Fotografie und Buchkunst.

Wir sind zu acht im Kurs. Fünf Frauen, drei Männer. Gabi aus der Nähe von München hat schon Malereikurse in Bad Reichenhall besucht. Auch Imke, deren norddeutscher Zungenschlag verrät, dass sie die weiteste Anreise hatte, kennt die Akademie schon. Wir anderen sind Novizen hier.

Servus, stürzende Linien: Alle mal Architektur fotografieren - und später korrigieren
Servus, stürzende Linien: Alle mal Architektur fotografieren – und später korrigieren ((c) Klaus Gassen)

Einfach mal machen

Diese Aura der Kunst kann ja schon erst mal einschüchtern. Genauso wie große Fotoapparate und große Stative. – Zeit für irgendwelche Bedenken bleibt mir aber an diesem ersten Morgen nicht: In der einen Hand der Regenschirm, in der anderen die kleine Kompaktkamera, heißt es ganz spontan Details einzufangen, die uns auf dem kurzen Weg interessant erscheinen.

Und so sieht man uns wie so häufig in den folgenden Tagen: Mit dem Objektiv ganz nah an Blumen oder Insekten. In der Hocke vor einer schönen Spiegelung in der Pfütze. Vor und zurück, nach rechts und nach links gehend für den besten Fotografier-Winkel.

Was uns acht Kursteilnehmer eint, ist unsere Freude am hobbymäßigen Umgang mit der Kamera. Und unser Wunsch, mehr über Theorie und Praxis zu erfahren.

Unsere Tage sind zweigeteilt: Bei Max Köstler, der in Bad Reichenhall ein Fotostudio führt, bekommen wir Tipps zur Bildgestaltung. Wir diskutieren ISO-Empfindlichkeiten und Nachtfotografie, Möglichkeiten und Grenzen der jeweiligen Kameras. Bei Ulrika Krexner, der Werbepsychologin und Grafikerin aus Salzburg, bekommen wir eine detaillierte Führung durch die digitale Dunkelkammer Lightroom: Was ist eine Smart-Sammlung? Wie nutze ich den Zauberstab? Wie erstelle ich Presets?

Akrobatik an der Wappach
Akrobatik an und in der Wappach

Dass unser Fotokurs im Berchtesgadener Land stattfindet, hat zwei angenehme Nebeneffekte: Zum einen ist Bad Reichenhall, in einem der südlichsten Zipfel des Landes, für die meisten Teilnehmer ganz weg vom Alltag. Zwischen Hochstaufen, Predigtstuhl und Untersberg lässt sich daher ganz schnell so ziemlich alles andere vergessen. Zum anderen braucht man nicht weit zu laufen, um auf Motive zu stoßen, die zum Schauen und Fotografieren verleiten: die Alte Saline, das Gradierwerk, das Kurambiente und das überraschende i-Tüpfelchen: die Altstadt. Wenn’s eine größere Spielwiese braucht, geht’s in die Berge ringsum.

Im Sumpf

Wir nutzen die Kameras in den unterschiedlichsten Situation: Zum In-Szene-Setzen von Architektur. Zum Einfangen von Nachtstimmungen, wozu wir ins benachbarte Salzburg fahren. Besonders reizvoll, kurz davor: Die blaue Stunde – in der die Sonne untergeht und uns in der Dämmerung lässt.

Ein weiterer Ausflug führt uns in die Marzoller Au, einem Auwald nördlich von Bad Reichenhall. Nach den ergiebigen Regenfällen mehrerer Tage ist der Wasserstand besonders hoch. An einer Böschung schwappt das Wasser hier und da aus den höher gelegenen Flächen in Mini-Wasserfällen in den Grabenbach. Hier nun sind wir auf der Suche nach Details. Der eine probiert sich an einer Schildkröte, die auf einem Stein auf die Sonne wartet. Eine andere fokussiert auf einige Grashalme. Ich finde meinen Baumstumpf.

Eines scheint im Sumpf fast unausweichlich: Die Wasserfällchen, die sich in den Bach ergießen, sind ideal, um lange Verschlusszeiten auszuprobieren. Um diesen Schleier-Effekt hinzubekommen, den Fotografen immer wieder gerne nutzen. Einzig: Mich kann man im Großen und Ganzen damit jagen. Und dennoch passiert’s hier: Ich habe eine Stelle entdeckt, an der das Wasser in einer ganz kleine, sanften Welle in den Bachlauf fließt. Ich will mich daran probieren. Mache meine Einstellungen. Drücke ab. Und … bin dann doch irgendwie begeistert, als ich mir das Resultat anschaue. Es gibt sie also wirklich, die perfekte Welle.

Im Fotostudio

Mindestens ebenso spannend ist es, als wir später im Fotostudio unsere Nahaufnahmen bearbeiten. Wir tüfteln an ganz sanften Bildbearbeitungen. Oder verfremden die Fotos von Grund auf. Bekommen ein besseres Gefühl dafür, was geht. Was allzu künstlich wirkt. Und was unser ganz privates Prädikat „künstlerisch wertvoll“ tragen darf. Wir lernen zu archivieren. Und wir lernen wiederzufinden.

Eine Auswahl unserer Lieblingsarbeiten tragen wir am Ende der Woche in einer kleinen Kurs-Ausstellung zusammen. Wir fragen einander aus. Wie hast du dies gemacht? Wo hast du das gesehen? Das Kennenlernen der Geschichten hinter den Bildern ist spannend, die Begeisterung jedes Einzelnen. Und beim Herumwandeln zwischen unseren an eine Sisalschnur geklammerten Ausdrucken wird mir klar: Da hängt etwas Glück. Einfach um seiner selbst willen.

Schon schön: Salzburg by night
Ganz geglättet: Salzburg by night

Transparenzhinweis: Am Kurs habe ich im Rahmen einer Einladung der Kunstakademie Bad Reichenhall und von Berchtesgadener Land Tourismus teilgenommen.  

  1. Pingback: „Die perfekte Welle“ – ein Artikel über Fotokunst auf kulturnatur.de – Kunstakademie Bad Reichenhall Blog

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