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Der Rundsicht wegen

Am Mont Ventoux

Für jeden Berg gibt es einen richtigen Moment. Für den Mont Ventoux ist dieser vielleicht während der Wintersperre. Und noch besser: bei Schnee. Wenn keine Autos auf den Gipfel cruisen können. Und wenn auch Radler, die sich an der westlichsten Alpenspitze abarbeiten, keine Gipfelgarantie bekommen. Gemahte Wiesen darf man auch zu Fuß am Mont Ventoux nicht erwarten, denn oft genug bläst der Mistral, dieser fiese Fallwind, der das Rhonetal hinunterstürmt und der einen selbst an sonnenverwöhntesten Wintertagen dick einmummeln oder gleich ganz daheim bleiben lässt.

Als wir zur Mittagszeit auf dem Mont Ventoux stehen, gibt sich alles hochglanzprospektmäßig: Für ein paar Stunden oder einen halben Tag holt der Mistral Luft, gibt uns eine Verschnaufpause von seinem Herumgetobe – gerade lang genug, um von unserem Ausgangspunkt am Chalet Liotard die etwa 500 Höhenmeter bis zum Gipfel zu stiefeln, vor der Kapelle Sainte-Croix ausgiebig die Nase in die Sonne zu halten und den grandiosen Rundblick zu genießen. Im Westen schlängelt sich die Rhone durchs Land, ganz weit im Süden lassen Sonnenreflexionen das Meer erahnen, nach Osten türmen sich in einem riesigen Bogen die schneebedeckten Alpen auf.   

Für jeden Berg gibt es einen richtigen Moment.

Ganz offiziell: Am Gipfel.

Apropos … sieben Fakten rund um den Mont Ventoux

Apropos Rad: Der Mont Ventoux ist gemeint, wenn vom Géant de Provence die Rede ist. Er ist mit 1.912 Metern der höchste Berge des Vaucluse und einer der legendären Tour-de-France-Gipfel, berühmt-berüchtigt wegen seiner steilen Anstiege und wegen der kahlen Kuppe, an der das Hinaufkurbeln weder bei Wind noch bei Sonnenhitze ein Zuckerschlecken ist. 

Apropos Wind: An etwa 240 Tagen im Jahr weht ein mitunter extrem stürmischer Wind am Mont Ventoux. Etwa 150 Tage kommt er als Mistral blanc aus dem Norden; die restliche Zeit aus dem Süden, dann mit Regenwolken im Gepäck. Besonders stürmisch war es 1967, als Spitzengeschwindigkeiten von 320 km/h am Gipfel gemessen wurden – die stärkste je in Frankreich aufgezeichnete Windgeschwindigkeit. 

Apropos Wetterbeobachtung: Auf dem Gipfel befindet sich seit 1882 ein meteorologisches Observatorium, außerdem diverse Sendeanlagen und ein Radom. Wirklich verbaut wirkt der Kalksteingipfel dennoch nicht, was auch daran liegt, dass sich das all die Infrastruktur trotz ihrer Größe am 25 Kilometer langen und 15 Kilometer breiten Berg verliert.      

Apropos Berg: Als „geistiger Vater des Alpinismus“ ist Francesco Petrarca in die Berggeschichte eingegangen. Der italienische Dichter stieg im frühen 14. Jahrhundert von Malaucène aus auf den Mont Ventoux. In einem Brief beschreibt er – aus heutiger Sicht etwas sehr überhöht und religiös aufgeladen – das bis dahin Undenkbare: Er nahm die Strapazen, auf einen Berg zu steigen, um des Naturerlebnisses willen auf sich. Einfach, um mal oben zu stehen und runter zu schauen in die Landschaft. Oder, wie es Petrarca formulierte, „allein vom Drang beseelt, diesen außergewöhnlich hohen Ort zu sehen“. Das Büchlein dazu: „Die Besteigung des Mont Ventoux“ von Francesco Petrarca, erschienen bei Reclam.      

Apropos Wandern: Varianten, um zu Fuß auf den Mont Ventoux zu gelangen, gibt es reichlich. Wer sich herausfordern mag: Quasi auf den Spuren Petrarcas kann man in Malaucène starten. Anders als zu seiner Zeit gibt es heute ausgeschilderte Wanderwege; ansonsten dürfte sich an den gut 1.800 Höhenmetern und knapp 18 Kilometern (eine Richtung) bis heute nicht allzu viel geändert haben. In jedem Fall braucht’s einen langen Sommertag für die Umsetzung. Im Winter für kürzere Varianten zunächst ein Stück mit dem Auto den Berg hinauf.

Apropos Winter: Wer im Winter auf Schnee spekuliert, nimmt am besten vorsorglich die Schneeschuhe mit und startet am Skigebiet Mont Serein, direkt am Chalet Liotard. Entlang der Pisten und über Wanderpfade führt der Weg zunächst von Norden, später über den breiten Westrücken zum Gipfel. Der Weg ist etwa sechs Kilometer lang. Später lässt sich je nach Bedingungen über viele Kehren auch steil direkt nach Norden absteigen, man endet dann am Campingplatz an dem Skigebiet; ansonsten wieder auf gleichem Weg zurück wie beim Hochgehen, alternativ über die Straße. Der Pass selbst ist vom 1. November bis 15. Mai für Autos gesperrt.

Apropos Malaucène: Mit seinen knapp 3.000 Einwohnern gibt sich das Städtchen recht unspektakulär. Typisch provenzialisch das Gassen-, Dächer- und Häusermeer, auf das man vom Kalvarienberg einen hübschen Blick hat. Mittwochs ist Markttag mit der Gelegenheit für Wein, Wurst und Käse direkt vom Bauern.

… und hinterher eine heiße Schokolade im Chalet Liotard.

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