Im Strahlen des Ginkgobaums
Du meinst also, du warst auf den Freisinger Bergen?“ entfährt es einer Freundin am Telefon, als ich gerade ansetze, statt von einer Alpenvisite von unserem herbstlichen Samstagsausflug in die Domstadt zu erzählen.
Ja, um genau zu sein: Auf dem Domberg, dem Weihenstephaner Berg und dem Hügel, auf dem der Schafhof steht. Die drei lassen sich auf einer Strecke von rund zehn Kilometern perfekt miteinander verbinden. Ohne Pausen braucht’s etwa drei Stunden, es lässt sich aber bequem eine komplette Tagestour daraus machen – denn sehenswert und abwechslungsreich ist das, was sich am Wegesrand bietet, allemal. Und weil dabei nicht mal einhundert Höhenmeter zu überwinden sind, schafft’s auch jeder, der mit Bergen sonst nicht viel am Hut hat.
Wer mit dem Auto kommt, parkt es am besten auf einem der Parkplätze in Bahnhofsnähe. Oder man ist eh öffentlich mit Bahn oder der S1 angereist, dann geht’s natürlich auch vom Bahnhof los.
Dom schauen
Die Wegfindung ist dank der Beschilderung „Kultur-Natur-Weg“ recht einfach. Detailliert beschrieben ist die Runde übrigens auch im Band 3 von „aktiv sein und schlemmen“ aus der frischluft edition. Zunächst also gen Stadtzentrum, wo man auch bald das erste Schild findet, das zum Domberg zeigt.
Auf dem Domberg angekommen, bietet sich hier im Restaurant Weihenstephaner am Dom schon die erste Möglichkeit zum Schlemmen. Doch bei uns heißt es erst einmal: Dom schauen. – Chorgestühl statt Cappuccino, Stuck statt Streuselkuchen. Ein Touristenführer zieht sich gerade mit seinen Gästen drei Reihen zurück, da er gegen die hohe Stimme seiner Kollegin weiter vorn im Hauptschiff nicht ankommt. Wir lauschen ihren hallenden Ausführungen über Rubens und die Asam-Brüder ein wenig, bevor wir durch die Seitenschiffe und die Krypta mit ihrer berühmten Bestiensäule schweifen.
Dann wieder, hinauskatapultiert in den warmen Herbsttag, im großen Bogen mitten hinein in die samstäglich-quirlige Altstadt, wo an den Marktständen Kürbisse, Fenchel, Äpfel und vielerlei mehr wunderbar in der Sonne leuchten und wartet, um von den Freisingern und ihren Gästen gekauft und zubereitet zu werden.
Bier probieren
Bevor es auf den nächsten Berg geht, lässt sich noch schön eine Kurzvisite beim Freiluftwerk einbauen. Sie preisen „Feines für den Bergfreund“ an; neben Bekleidung und Ausrüstung bieten sie auch Skitourenkurse und Skireisen, zum Beispiel nach Norwegen, auf die Lofoten. Der Laden klein und fein, ein Hingucker auch ihr Freiluftwerk-Magazin, das tatsächlich weit mehr als nur ein schnöder Katalog ist. Wir brauchen aber heute selbst mit dem besten Willen nichts und weiter geht’s zu den Gärtnern.
Die haben einen wunderschönen, weitläufigen Campus, der mich – nicht nur, weil beim Freiluftwerk gerade die Rede auf die Lofoten kam – sogleich an mein Austauschjahr in Trondheim und den dortigen Campus Dragvoll erinnert. Auch hier in Weihenstephan – an der Hochschule für Gartenbau, Agrarwirtschaft und Landschaftsbau mit ihren grünen Fächern – lässt es sich sicher gut studieren. Zumal direkt neben dem Weihenstephaner Brauerei-Schlot der Bräustüberl-Biergarten einlädt. Und tatsächlich probieren nicht nur wir hier das Bier der stolzen, weil weltweit ältesten Brauerei, sondern eben auch viele Erstsemester, die wohl gerade erst so richtig „ankommen“ an dem Ort, der in den nächsten Jahren ihre Heimat auf Zeit werden soll.
Nachmittagssonne tanken
Neben dem Bier duftet auch manch Pflanze hier oben: Im Oberdiek-Themengarten sind Duft-, Tast- und Aroma-Areale eingerichtet und erfreuen auch im Herbst noch viele Besucher. Genauso wie der Staudensichtungsgarten weiter unten. Eigentlich ein Lehr- und Versuchsgarten, ist auch er öffentlich zugänglich. Mit seiner schier endlosen Fülle an Stauden, Gehölzen und Rosen muss sich gerade im Frühsommer ein prächtiges Blütenmeer bieten. Heute strahlt vor allem ein alter Ginkgobaum mit seinen intensiv-gelben Blättern.
Da sich in Weihenstephan so ziemlich alles um Pflanzen dreht, ist es auch nicht verwunderlich, dass uns der weitere Weg nun noch über einen Gehölzlehrpfad führt. Um die 60 verschiedenen Bäume und Sträucher könnten wir hier bestimmen. Und ich frage mich unwillkürlich: Wer, außer einem Fachmann, könnte das tatsächlich heute noch?
Das gegenüberliegende Hügelchen ist dann also der … Schafberg? Zumindest wäre das logisch, nachdem obendrauf das Künstlerhaus Schafhof zu finden ist. Wunderbar von der Nachmittagssonne beschienen, lädt das Café im Schafhof zum Verweilen ein, bevor es dann geradewegs zum Ausgangspunkt zurückgeht.
Fazit: Nicht nur, wenn es am Vorabend mit Freunden und Lolita (oder einem anderen Wein) recht spät geworden ist, bietet sich die Runde über die Freisinger Berge für all diejenigen an, die etwas Neues erkunden oder einfach raus an die frische Luft wollen, ohne gleich gen Alpen zu düsen. Bei passendem Wetter gibt’s die in der Ferne eh noch als Zugabe. Ideal auch mit Besuch, der mal ein bisschen Münchner Umland sehen mag. (Nicht nur) Für ambitionierte Hobbygärtner ein Muss.