Auslüfteln am Walderjoch
Gut möglich, dass unsere Alpenüberquerung am nächsten Tag ein Ende gefunden hätte, wenn da nicht der Apotheker in Hall gewesen wäre:
Ein umgeknickter Fußknöchel, kaum dass wir München hinter uns gelassen hatten. Auf den langen Tagesetappen durchs Karwendel schwoll der Knöchel so stark, dass wir mit den Schmerztabletten aus unserem Erste-Hilfe-Set nicht weit kamen.
„Bei einem Pferd würde ich einen Sauerkrautwickeln machen“, meint im Abstieg vom Hallerangerhaus ein Mitwanderer, der sich als Veterinärmediziner zu erkennen gibt. Wir lachen. Wer nimmt schon Sauerkraut mit auf eine Wanderung?
Irgendwann haben wir dann das Halltal mit seinem alten Salzbergwerk hinter uns gelassen. Jetzt nur noch – schnurgerade – bergab. Durch Absam und hinein nach Hall. Eine Apotheke gesucht. Der Apotheker versorgt uns mit dem Nötigsten und macht uns Hoffnung: „In drei, vier Tagen sollte der Knöchel merklich abgeschwollen sein.“
So kam’s dann auch …
Klar, dass wir, als wir zwei Jahre später wieder in Hall sind, bei dem Apotheker vorbeischauen. Einfach, um noch mal danke zu sagen. Um mit ihm zu schmunzeln. Genau wie damals, als er uns erzählte, dass im Sommer fast täglich München-Venedig-Wanderer bei ihm reinschauen. Heißt: Weil sie ihre Wunden lecken müssen und Blasenpflaster, Schmerzgel und Co benötigen.
Bei unserem jetzigen Besuch wollen wir das Städtchen erkunden, das uns mit seinen bestens erhaltenen Altstadt schon damals spontan so gut gefallen hat. Wobei: So gänzlich ohne wenigstens ein bisschen Berg geht’s ja in den Alpen selten. Sonne wollten wir dafür, den Tag genießen, nicht groß laufen … Ein Tiroler Bekannter gibt uns den Tipp, dafür am nächsten Tag zur Hinterhornalm zu fahren und von dort zur Walderalm zu spazieren. Abends in der Weinbar noch mal der gleiche Vorschlag: So, wie die Wettervorhersage sei, würden sich dort oben zwar einige tummeln, aber diese Aussichtsloge über dem Inntal sei auch einfach zu herrlich.
Recht hatten sie, die Tiroler. Schließlich muss es ja nicht immer gleich eine Alpenüberquerung sein.
Gut zu wissen:
Hinkommen mit dem Auto: Über Hall und Absam bis nach Gnadenwald. Am westlichen Ortsende zweigt ein mautpflichtiges Sträßchen in den Wald ab (Kosten: 4,50 Euro, Stand 2017). In vielen Kehren schlängelt sich die Straße etwa 600 Höhenmeter bergauf, bis zum Parkplatz an der Hinterhornalm.
Alternative zu Fuß: Wer mag, kann sein Auto auch auf dem unteren Parkplatz stehen lassen und zu Fuß gehen. Der Wanderweg kreuzt immer wieder die Straße.
Weiter zur Walderalm: Von der Hinterhornalm geht’s nach links zackig hinauf auf den Hundskopf. Oder nahezu eben, dem Fahrweg etwa 30 Minuten folgend, zur Walderalm. Wenn’s dann doch ein wenig mehr Spaziergang sein soll: Östlich der Walderalm führt die Schotterstraße noch ein Stück weiter hinauf zum Walderjoch. Dort ist der Blick noch ein bisschen fantastischer als an der Alm. Außerdem ist’s ruhig, denn kaum ein Alm-Wanderer verirrt sich zu den zwei Bänken an dem kleinen Gipfelkreuz.
Ist’s voll?: Sicher braucht es nicht einmal einen dieser aller-perfektesten Tage, damit’s auf dem Sträßlein zur Hinterhornalm ziemlich zugeht. Schnieke Familienkutschen, alte Schüsseln, rostige VW-Busse, monströse SUVs … alles manövriert sich bergrauf, aneinander vorbei und wieder hinunter. Dazwischen einige Wanderer und eine Vielzahl Biker. – Eigentlich schreit diese schmale Straße geradezu nach einem veränderten Verkehrskonzept. Gerade als Radler dürfte es überhaupt nicht lustig, geschweige denn gesund sein, sich in all den Abgasen den Berg hinauf zu quälen. Logischer ist sicher die Radl-Auffahrt von Osten/Vomp her zur Walderalm.
… Puuuh … Nur noch mal zum Verständnis – lohnt sich’s?: Unbedingt!