Bergauf Hier & da hin

Alles nur ne Kopfsache!

3-Gipfel-Tour im Kleinwalsertal

Felskletterei im II. Grad“ und „eine tolle Tour auch für schwindelfreie Einsteiger“ – das soll wirklich zusammengehen?, grüble ich am Abend.

Mittags stand aus ziemlich heiterem Himmel die 3-Gipfel-Tour für den nächsten Tag im Raum. Eine wunderbare Grat-Tour sei sie, vor allem bei diesem herrlichen Sommerwetter. Wir nähmen die komplette Kletterausrüstung mit.

Nun muss man wissen, dass mein Mann nicht gerade das ist, was man als durch und durch schwindelfrei bezeichnen würde. Höhe und Ausgesetztheit sind nur bedingt seins. Und am liebsten hat er eigentlich links und rechts zu seinen Füßen ein ordentlich breites Stück Boden. Dennoch, so wird mir versichert: Allzu große Bedenken seien unbegründet. Außerdem sei der Ausstieg am Anfang an zwei Stellen möglich. Kartencheck – ja, das sieht in der Theorie gut aus. Und: Wir würden ja einen Bergführer dabei haben. Und so schlage ich einigermaßen beruhigt ein.

Am Abend kann ich’s dennoch nicht lassen und schaue kurz im Internet nach: Es handele sich um eine Tour im II. Grad (an dem ich mich selbst seit zwei Sommern erst hin und wieder vorsichtig probiere). Abgesehen von einer drahtseilversicherten Stelle und Ringen für’s Abseilen gäbe es keine Sicherungsmöglichkeiten. Der Weg ist teils nicht in Karten eingezeichnet und sei auch nur stellenweise markiert, ein guter Orientierungssinn sei dringend erforderlich. Dazu eine etwa zehn Meter hohe Wand; deren Schwierigkeit mit bis zu III- angegeben ist (andere sagen II, da gehen die Meinungen auseinander).

Am nächsten Morgen ist für halb neun die Auffahrt mit der Kanzelwandbahn angesetzt. Wir treffen auf unseren Bergführer Holger und auf vier weitere Gipfel-Aspiranten. Wie mir bald dämmert, sind wir Teilnehmer alle recht – sagen wir mal: unbedarft gestartet und kaum einer hatte sich aus der kurzen Tourenankündigung einen rechten Reim darauf machen können, was der Tag bringen würde.

Oben angekommen, sehen wir die Tour in ihrer ganzen Pracht vor uns liegen: Walser Hammerspitze, Hochgehrenspitze und Oberstdorfer Hammerspitze. Irgendwo dahinter versteckt sich unser Tourenziel, die Fiderepasshütte. „Und da sollen wir heute rauf?“, ruft eine unserer Mitstreiterinnen etwas entgeistert mit Blick auf den  dritten Gipfel, der sich weiter hinten aufbaut. Die Antwort ist ein beruhigendes Nicken von Holger.

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Der Pfad zum ersten Gipfel, der Walser Hammerspitze, geht zunächst über einen breiten Grat und bald in die Schrofen. Hier und da mal die Hand am Fels zum Balancieren, aber alles in allem unschwierig. Beim Anblick der nun folgenden Gipfel wäre es dennoch nicht abwegig, wenn jemand, der’s mit ausgesetzten Stellen nicht so hat, das ganze abblasen und einen leichteren Weg zur Fiderepasshütte nehmen würde.

Bald gibt’s eine erste, kurze Kletterstelle. „Das sieht doch bei allen ganz gut aus“, so die Einschätzung von Holger, als wir einer nach dem anderen die paar Meter nach oben kraxeln. Das war dann wohl die Probe aufs Exempel. Und es kann weitergehen.

Um’s klar zu sagen: Ich bin selbst nicht absolut hundertprozentig schwindelfrei und daher bei eigenverantwortlichen Touren sicher eher übervorsichtig. Ich erinnere mich an meine erste IIer Tour, auf die Ehrwalder Sonnenspitze, auf die ich gemeinsam mit Bergfreunden gegangen bin. Damals habe ich im Aufstieg nicht gewagt nach links und rechts zu schauen. Weil ich in gewisser Weise Angst vor der Angst hatte. Nach wie vor bin ich deutlich angespannt bei ausgesetzten und Tiefblick-behafteten Touren. Aber immer häufiger kann ich auch unterwegs das Panorama genießen. Und das Panorama ist hier und heute einfach grandios!

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Inzwischen viel zerklüfteter und immer wieder mal auch weglos geht es auf und ab, bald ist die Hochgehrenspitze und damit der mittlerer der drei Gipfel erreicht. „Jetzt hat sich das mit dem Umdrehen wohl für alle erledigt“, denke ich mir.

Bald darauf kommt das Seil zum Einsatz. Einer nach dem anderen hängen wir uns im Seil ein; bilden eine Seilschaft. Derart gesichert meistern alle einige heikle Passagen: Abkletternd durch eine enge Rinne, balancierend über einen Gratturm, uns vorsichtig bewegend durch das eine oder andere abschüssige Schotterfeld. Dann ist die Oberstdorfer Hammerspitze erreicht.

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„Ach du Scheiße …“, entfährt es Hugo, als er mit unserer kleinen „Abschlussübung“ dran ist: Holger lässt uns am Seil nacheinander vom Gipfel ab. Das ist die deutlich leichtere Art, als mit Hilfe von zwei, drei Stahlbügeln abkletternd die Schlüsselstelle dieser Tour, eine etwa zehn Meter hohe Wand, hinter uns zu bringen. Für den, der noch nie in einem Klettergurt gesessen hat und sich noch nie auf die Zuverlässigkeit von Seil und Partner verlassen musste, ist’s aber durchaus eine riesige Herausforderung.

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20 Minuten später sind wir in einfachem Gehgelände. Und ich weiß schon hier: Diese Tour möchte ich gerne nochmal gehen! 

Kurz darauf, auf der Fiderepasshütte, stoßen wir alle gemeinsam mit Bier und Schorle auf den gelungenen Tag an. Mit einem nachdenklichen Lächeln lässt Hugo die letzten Stunden Revue passieren: „Wenn ich schwindelfrei wäre – das wäre wahrscheinlich der Beginn einer neuen Leidenschaft. Aber ganz ehrlich; ich brauch solche Touren nicht, um glücklich zu sein. Immerhin es ist gut zu erleben, dass es ginge, wenn es müsste. Ist halt wirklich … alles nur ne Kopfsache.“

Fazit: Tatsächlich gehen „Felskletterei im II. Grad“ und „eine tolle Tour auch für schwindelfreie Einsteiger“ auf der 3-Gipfel-Tour gut zusammen. Wer als Wanderer in der Obhut eines Bergführers mal ausprobieren möchte, wie ihm das mit der Felsberührung und der leichten Klettern taugt, ist hier sehr gut aufgehoben.

Gut zu wissen:

2 Täler, 2 Namen: Bis vor wenigen Jahren hießen die beiden Hammerspitzen noch „Hammerspitze“ und „Schüsser“. Blöderweise war das, was für die Walser der „Schüsser“ war, für die Oberstdorfer die „Hammerspitze“ und anders herum. Um – vor allem auch im Notfall – eineindeutig zu verstehen, von welchem Gipfel denn nun die Rede ist, sind nun beide in deutschen wie in österreichischen Karten als Hammerspitze eingezeichnet. Eben als Walser bzw. Oberstdorfer.

Schwindelfreie Anfänger sollten die Tour nur in Begleitung eines ortskundigen Begleiters unternehmen. Bergführer vermittelt die Bergschule Kleinwalsertal in Hirschegg; eine Hand voll weiterer Bergschulen gibt es auf deutscher Seite, in und um Oberstdorf. Wer eigenverantwortlich geht, sollte einen guten Spürsinn für den richtigen Weg mitbringen, sich zu versteigen ist an der einen oder anderen Stelle sonst schnell möglich.

Diese Tour im II. Grad ist vor allem auch dadurch durchaus für Einsteiger geeignet, da – dank Bergbahn – nur sehr wenige Höhenmeter im Aufstieg (knapp 500 hm) zur Debatte stehen. Für gewöhnlich hat man’s bei ähnlichen Touren zwischen Salzburg und Oberstdorf eher mit 1.200 hm bis 1.600 hm zu tun.

Die Tour ist zumeist von der Bergbahn zur Fiderepasshütte beschrieben – auch im Buch „Münchner Bergtouren“. Persönlich fände ich’s andersrum, mit Start an der Fiderepasshütte, logischer. Dann nämlich sind sämtliche schwierigere Stellen hochzuklettern. Entweder geht man für diese Variante über’s Wildental zur Fiderepasshütte. Oder man läuft zunächst aus Richtung Kanzelwand „um die drei Gipfel herum“ (sowohl auf Kleinwalsertaler als auch auf Oberstdorfer Seite möglich) und beginnt dann mit der Überschreitung. In diesem Fall ist die Berg- und/oder Talfahrt mit der Bergbahn möglich.

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Das Kleinwalsertal habe ich auf Einladung von Kleinwalsertal Tourismus erkundet.

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