Allgemein Spanien

Kirschen essen in Miravet 

Das Dorf Miravet am Ebro

Vom Wert eigener Entdeckungen

Mit dem Unterwegs-Sein ist das immer so eine Sache. Einerseits möchte man nicht blind durch die Welt reisen. Also liest man sich schon lange vor einer Reise in die passenden Führer ein, konsultiert Landkarten, schaut Dokumentationen. Andererseits können derlei Vorbereitung zu einem seltsamen Zustand führen: mitunter hat man sich mit dem, was man als „sehenswert“ auserkoren hat nun so intensiv beschäftigt, dass man, begibt man sich selbst schließlich dorthin, in gewisser Weise alles schon zu kennen meint. 

Die ganze Wahrheit ist glücklicherweise: egal, wie groß das „Vorwissen“ ist, ob man eine vage Vorahnung oder sehr konkrete Vorstellung dessen hat, was kommt – das eigene Erleben ist immer mit einer ganze besonderen Prise Entdeckungen und Erfahrung gewürzt.

Ist man dann sogar mal gänzlich unvorbereitet unterwegs und weiß nicht einmal ansatzweise, was auf einen zukommt, ist die Überraschung mitunter doppelt groß. So wie bei diesem Ausflug nach Miravet: 

Hinauf ins katalanische Hinterland

Der Weg von der katalanischen Küste schaukelt sich über mehrere Bergketten zunächst sanft bis auf 600 Meter hinauf, bis man – ganz langsam – wieder den Großteil der gewonnenen Höhe verliert und das Flusstal des Ebro erreicht. Am Ufer vom il riu Ebre, wie er bei den Einheimischen hier zumeist heißt, liegt auch Miravet, ein Dorf mit heute etwa 700 Einwohnern. Schon etwa eintausend Flusskilometer hat das Wasser des Ebro an dieser Stelle hinter sich gebracht und sich dabei immer wieder in Schleifen gelegt. 

Das Wasser des Flusses fließt hier, wenn nicht reißend, so doch recht schnell. Und fast hat man den Eindruck, dass das kostbare Nass möglichst zügig in die Landschaft noch weiter stromabwärts gelangen will, denn auch dort ist es Lebensgrundlage für Menschen, Tiere und Felder. 

Burg – Land – Fluss

Hier an der Flusskurve schmiegen sich Häuser und eine Kirche an den Fels. Weit oben über allem thront die Festung Castell de Miravet, die als die beeindruckendste Templerburg in Katalonien und eines der besterhaltenen Beispiele für die Architektur des Templerordens in Europa gilt. Die ältesten Mauern innerhalb der Festung stammen schon aus dem 2. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung von einer Iberersiedlung; die Ursprünge der heute erhaltenen Burg legten die Mauren im 11. Jahrhundert, als sie das von ihnen muslimisch beherrschte Reich al-Andalus auf der Iberischen Halbinsel gegen die nördlich angrenzenden Christen sichern wollten. 

Im 12. Jahrhundert war die Zeit der christlichen Rückeroberung auch im südlichen Katalonien gekommen und als letzte maurische Enklaven fielen Miravet und das nahe Siurana. Zu dieser Zeit gelangte die Burg von Miravet in die Hände der religiös motivierten Templer. Darüber, wie diese in den folgenden knapp 200 Jahren hier lebten, geben die vielzähligen Infotafeln Auskunft, die man bei einem Streifzug über das Burggelände lesen kann.

Nach den Templern zogen die Johanniter in das Gemäuer ein; sie waren bis ins 19. Jahrhundert die Burgherren. Abermals mit im Mittelpunkt der Geschichtsschreibung des Landes stand Miravet, als sich 1938 im Spanischen Bürgerkrieg Republikaner und Nationalisten in der sogenannten Schlacht am Ebro gegenüberstanden. 

Gut geschützt: der Innere Burghof.
Gut geschützt: der Innere Burghof.

Den Ausflug versüßen

Heute zeigt sich Miravet gelassen. Das Dorf ist ein beliebtes Ausflugsziel und so gibt es eine ganze Reihe von Bars, Restaurants und auch Unterkünfte im Ort. Rings um Miravet und auch im Dorf selbst wächst von Wein und Aprikosen über Mispeln und Kirschen alles, was im Sommer fruchtige Erfrischung verspricht. Und nicht erst dann: am Straßenrand werden wir auf ein Schild aufmerksam, das Kirschen direkt vom Produzenten anpreist. Das große Holztor zu einer Art Lagerhalle ist geöffnet. Darin ein Traktor, auf dem sich eine Katze räkelt. Gleich daneben wiegt die etwa zehnjährige Tochter des Hauses die Kirschen ab und schüttet sie in Kartons, die ihre Mutter vorn auf einem Tisch verkauft. Wir brauchen nicht weiter überzeugt werden. Eine Handvoll dieser ersten Kirschen des Jahres werden wir gleich am Ufer des Ebro genießen und so in unserer ganz eigenen Miravet-Erinnerung süß festhalten. 

Direkt von der Plantage: Kirschen essen in Miravet.
Direkt von der Plantage: Kirschen essen in Miravet.

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