Ein Höhlenbesuch im valencianische Hinterland
Nimm dir Zeit!“, ist der vielleicht wichtigste Rat, den es zu beherzigen gilt, wenn es aus Valencia ins Hinterland gehen soll: Denn nur ein paar Steinwürfe von der Küste entfernt wird es bergig. Ordentlich bergig. Spanien gilt – gleich nach der Schweiz – als das zweitbergigste Land Europas. So werden die Straßen auch in der valenicanischen Provinz sehr schnell sehr klein.
Und für 100 Kilometer darf man schon mal zwei Stunden Fahrzeit mit dem Auto einrechnen. So weit ist es nämlich von Valencia bis in das Dorf Bicorp, wenn man eine gemütliche wie sehenswerte Route einschlägt – über die Örtchen Buñol, Dos Aguas und Millares. Zunächst vorbei an Orangen- und Mandelfeldern, dann hinauf auf den nach Rosmarin duftenden Gebirgszug Sierra del Ave gekurvt und auf der anderen Seite wieder hinunter nach Dos Aguas.
Es ist kaum weiter verwunderlich, dass an einem Spätnachmittag mitten in diesem Bergdorf die vielleicht spanischste aller ländlichen Szenen nicht lange auf sich warten lässt: zwei greise Herren, spanisch korrekt gekleidet und mit Gehstock bei der Hand, sitzen auf einer Bank und tauschen sich wohl über die Geschehnisse der letzten 24 Stunden oder sieben Tage aus. – Ob man will oder nicht, hin und wieder sind es genau solche Stereotype, die sich besonders einprägen.
Weiter führt der Weg durch Kurve links, Kurve rechts über Millares nach Bicorp. Der Gemeinde geht es wie vielen Bergdörfern: Weil es wenig gut bezahlte Arbeit gibt, sind in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Menschen abgewandert. Heute hat Bicorp noch etwa 500 Einwohner. Und ein Eco-Museum, an dem es, sofern man sich für Höhlenmalereien interessiert, kein Vorbei gibt:
Die Umgebung von Bicorp war schon in prähistorischer Zeit besiedelt und zählt zu den wichtigsten Zentren der Arte Rupestre Levantino, also levantinischer Felskunst, auf der Iberischen Halbinsel: Für die Menschen in der ausgehenden Altsteinzeit und in der Jungsteinzeit eignete sich die zerklüftete Bergregion gut zum Leben. Heute erzählen Felswände davon: An ihnen sind, vorwiegend in Rottönen, Malereien zu finden, die zwischen etwa 6.000 und 4.000 v.u.Z. entstanden. Entlang der gesamten spanischen Ostküste, bis nach Katalonien, findet sich an etwa 700 Stellen derlei Höhlenmalerei; 1998 hat sie die UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Seither werden sie weiter erforscht, geschützt und das Wissen um sie verbreitet. Auch in Sachen Felsmalerei ist vieles noch immer historisch nicht eindeutig geklärt und unter Wissenschaftlern vieldiskutiert, neue Datierungsmethoden bringen mitunter seit Gedenken gültige Lehrmeinungen ins Wanken und sorgten gerade in den letzten Jahren immer wieder für Aufsehen.
In dem kleinen Eco-Museum von Bicorp ist mit recht einfachen Mitteln recht gut erklärt, was wir heute über das Leben zu Zeiten der prähistorischen Jäger und Sammler wissen. Wer Spanisch versteht ist klar im Vorteil; doch die Museumsmitarbeiterinnen bringen auch auf Englisch und mit einer großen Portion Enthusiasmus alle wichtigen Informationen an die Besucher. Mit etwas Vorplanung ist auch eine Führung zu den Cuevas de la Araña, also den Spinnenhöhlen, organisiert.
Warum es für die zehn Kilometer dorthin am besten im Geländewagen der Guides weitergeht, wird uns schon kurz hinter dem Ort klar, denn nur noch langsam rumpeln wir über eine Forststraße Richtung Carroig-Massiv. Am Ende der Straße noch ein paar Meter gelaufen und der Rest der großen weiten Welt scheint so entfernt wie selten: Vor uns liegt ein kleines, tief eingeschnittenes Tal, an dessen Rand ein Pfad zu den Cuevas de la Araña führt. Sich zumindest ansatzweise vorzustellen, wie die prähistorischen Menschen hier gelebt haben, fällt in diesem Augenblick – wohl auch dank der kleinen Animation, die wir zuvor im Museum gesehen haben – gar nicht so schwer.
Jedenfalls haben die Menschen ihr damaliges Leben an den geschützten Wänden der Felsüberhänge künstlerisch festgehalten: Da sind zum einen Jagdszenen. Die größere Aufmerksamkeit wird aber einer nur wenige Zentimeter großen, recht ausgeblichenen Figur zuteil, die auf einen Baum geklettert ist und ein Bienenvolk ausbeutet, das in einer Baumhöhle lebt. Dieses Fels-Bildchen gilt als die in Europa älteste Darstellung der Erbeutung von Bienenprodukten überhaupt. Heute ist die bemalte Felswand durch ein Eisengitter geschützt. Einmal mehr ein Grund, in Begleitung der Eco-Guides hier aufzukreuzen, denn sie haben einen Schlüssel für die Tür und so steht dem Erklärt-Bekommen und Betrachten aus nächster Nähe nichts im Wege.
Und weil das Bergland von Bicorp neben zahlreichen anderen Felsmalereien auch noch Dinosaurierspuren und versteckte Badegumpen bereit hält und zum Mountainbiken mindestens so gut wie zum Wandern geeignet ist, lässt sich nur noch mal betonen: Wenn du im valencianischen Hinterland bist, dann nimm dir Zeit!
Tipps
Das Ecomuseo de Bicorp ist Mittwochs bis Sonntags geöffnet. Vielfältige Wanderwege führen zu den Felsmalereien rund um Bicorp. Einen ersten Überblick bekommt man in der kleinen Broschüre „Rutas de Bicorp“.
Übernachten: Entweder in einem der Casas Rurales, einfachen Landgasthäusern, oder in Quesa im einfachen, sympathisch geführten Hotel de Montaña La Rocha, wo Gäste auch Mountainbikes ausleihen können.
Essen: Außerhalb von Bicorp gelegen und über eine Forststraße erreichbar ist Los Botijos, ein Mix aus einfachem Campingplatz, Bar und Agriturismo – vor allem an Sommerwochenenden beliebt; ansonsten sehr relaxed. Wenn’s deftige Bergkost sein darf, dann Gazpacho manchego probieren, begleitet von einem Glas Rotwein.
Transparenzhinweis: Das valencianiche Hinterland habe ich auf Einladung von Turespaña, dem Spanischen Fremdenverkehrsamt, kennengelernt.